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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

127 Pians, Kapelle Hl. Margaretha 1436 (?), 1463 (?), 1464, 1472, E. 15. Jh., 16. Jh.

Graffiti (Anwesenheitsvermerke, Namensinschriften u. a.), Rötelstift bzw. Ritzungen in Putz, in allen Bereichen des umfassenden älteren Wandmalereizyklus (Kat.-Nr. 125) im Chor und am Triumphbogen angebracht. Aufgrund der übergroßen Dichte der Schriftäußerungen und des überwiegend stark beeinträchtigen Erhaltungszustands kann hier nur ein kleiner Teil des Gesamtbestands an Graffiti berücksichtigt werden. Reste von zahlreichen, in den meisten Fällen nicht mehr sinnvoll entzifferbaren Ritzinschriften finden sich etwa im unteren Bildbereich der Gregorsmesse im rechten Teil der Westseite des Triumphbogens, darunter auch zwei gekreuzte Stäbe (Pilgerstäbe?). Lesbar sind noch Teile einer Ritzinschrift auf den Schultern der Gregor-Figur (I), zwei Anwesenheitsvermerke am unteren Teil von deren rotem Gewand (II, III), sowie zwei Ritzinschriften auf der schwarzen Abschlussleiste unterhalb der gesamten Szene (IV, V) und eine Rötelinschrift auf der gelben Rahmenleiste über der Gregorsmesse (VI). Reste einer Rötelinschrift auf dem Altar der Gregor-Szene sind nicht mehr zu entziffern. Weitere Rötelinschriften befinden sich auf den Darstellungen der Triumphbogenlaibung: im Vierpass der zweiten törichten Jungfrau vom Scheitel des Triumphbogens aus ist eine Rötelinschrift gut sichtbar (VII). Die Rötel- und Ritzinschriften bei der dritten Jungfrau von oben sind nur mehr fragmentiert (am Hals: VIII), die in der Umrahmung des Hl. Georg sind nicht mehr sinnvoll lesbar. Ritzinschriften über der Schulter des Hl. Georg und im halben gelben Vierpass darunter lassen sich jedoch noch sicher entziffern (IX–XII). Im Chor an der Nordwestwand über der Figur des Propheten mit der Inschrift cvstos findet sich eine Rötelinschrift (XIII); auch über den Propheten rechts daneben sind zahlreiche Fragmente von Ritz- und Rötelinschriften vorhanden, die wiederum nicht mehr sinnvoll zu entziffern sind. Über den Propheten­figuren der Südostwand (acheij, benian, licine und pnanev) sind dagegen mehrere Rötelinschriften noch gut erhalten (von links nach rechts: XIV–XXII, wobei XV und XVI durch ein oben pfeilförmig abschließendes Kreuz getrennt sind); ober- und unterhalb dieser Rötelinschriften finden sich auch mehrere Ritzinschriften (von links nach rechts: XXIII–XXIV). An der Südostwand wurden weiters über den Figuren der Apostel Simon und Judas mit Rötelstift mehrere größere Zeichen, darunter ein fragmentarisch erhaltenes Jesusmonogramm, aufgemalt. An der Südwestwand über den Propheten mit den Inschriften samuel, echyel und assesor finden sich drei weitere überwiegend gut lesbare Rötelinschriften (XXV–XXVII). An der Ostwand eine kurze einzeilige Rötelinschrift links vom Titulus des Propheten ionachid, die sich nach rechts bis hin zum Titulus von emiasip fortsetzt (XXVIII). Die Graffiti wurden zusammen mit den älteren Wandmalereien 1905 aufgedeckt und 1911/12 durch den Haller Maler Alfons Siber restauriert; eine erneute Restaurierung erfolgte 1978/79 (s. auch Kat.-Nr. 125). Die Tatsache, dass der Erhaltungszustand mancher Rötel- und Ritzinschriften als relativ gut bezeichnet werden kann, lässt Zweifel aufkommen, dass vor 1905 tatsächlich alle Wandf lächen mit jüngeren Farbschichten bedeckt waren.

Schreibschriftliche spätgotische Kursive, Kapitalis (VII) und Frakturkursive (Halbkurrent) (XX).


Textedition
			

I. Hic fuit [– – – II. ich [– – –] / hans [– – – III. hic fuit [– – –]fman IV. hic fuit veh[...]d(us) swetz (14)72 V. hic fuit [– – – VI. Casper Hanntaller de [– – – VII. CONRAT BESLRa) VIII. [....]ktor(us) IX. 1464 / kristan / keller X. Hic fu[it F]rantz / C[....]rad XI. Hic fuit Jori(us) / gutrat ex Za[..]d XII. Hic fuit [...]ader[...] XIII. hic f[uit] Jacob[us] [– – – XIV. Semper XV. hic f[uit – – – XVI. hic fuit Johannes sua[.] d͜e gand p(rox)i(m)a d(omi)nica in die post festu(m) philippi (et) [– – – XVII. Vlric(us) lampp(er)t zu / FFussen om(nium) s(anc)tor(um)) XVIII. [...] Sydenstecker XIX. hic erat d[– – –]g[....] lxiij jar XX. [H]ic Fuit Joa[nnes – – – de] Hainfelt XXI. hic fuit johannes swertfeger de prettin XXII. 143vi jbi fuer(u)nt [....]her(us) [– – – / – – –]elt et salt[– – –] / chr(istu)sb) XXIII. hic [.] Conrad(us) [– – – XXIV. hic fuit lucas [– – – XXV. hic fuit Joh(a)nes de l[a]ndeg[– – – XXVI. hic fuit J[...]us windrer et Lembardus [– – – XXVII. hic fuit fr(ater) gotfryd(us) bodenhoff [..] sc(o)la(r)is XXVIII. pauca [– – –] // Alb(er)tusc)

Anmerkungen
a) vielleicht auch BESER, jedoch nur der unterste Balken des L bzw. zweiten E erkennbar.
b) Nomen sacrum; Bestand: xps.
c) Unterbrechung durch den Titulus emiasip.

Kommentar

Unter den bislang nicht näher untersuchten, im Formular weitgehend stereotypen Graffiti erregte in der Vergangenheit lediglich Inschrift IX mit ihrer Datierung auf 1464 gewisse Aufmerksamkeit. So kommentierte Lunger: „Diese Zahl ist über der rechten Schulter des hl. Georg in den Putz eingeritzt. Unter der Zahl befindet sich ein ebenfalls mit einem Nagel eingeritzter Name, der aber nicht zu entziffern ist. Allem Anschein nach handelt es sich um den ebenso eitlen wie törichten Versuch eines Besuchers, seine Anwesenheit für die Nachwelt festzuhalten. Die Jahreszahl könnte also bestenfalls den Zeitraum nach oben hin begrenzen, der für die Entstehung der Fresken spätestens in Frage käme.“1) Da bereits Lunger auf die Bedeutung dieser Namensinschrift als terminus ante quem für die Wandmalereien hingewiesen hat und somit sein moralisches Urteil über den Wert solcher Ritzungen selber in Frage stellte, genügt hier der Verweis auf das entsprechende Kapitel der Einleitung zu Wert und Funktion spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Graffiti2). Auch dürfte die in Inschrift XIX angegebene Datierung nach der Minderzahl mit 1463 aufzulösen sein. Ob Inschrift XXII von 1436 (?) möglicherweise den ältesten datierten Vermerk darstellt und demnach nicht allzu lange nach Fertigstellung der malerischen Ausstattung angebracht wurde, ist unklar.

Bemerkenswert scheint, dass offenbar die Seite der törichten Jungfrauen bei Anbringung der Graffiti am Triumphbogen wesentlich beliebter war als die gegenüberliegende Seite (religiöse Motivation der Schreiber?).

Die regionale Herkunft der Schreiber scheint weit zu streuen: neben einem wohl den namensgebenden Beruf swertfeger ausübenden Einwohner des kleinen Elbstädtchens Prettin in Sachsen-Anhalt (XXI) verewigte sich vielleicht ein Reisender aus Füssen im Allgäu (XVII) sowie offenbar ein Schreiber aus dem niederösterreichischen Hainfeld (XX). Mit Frater Gottfried Bodenhoff (XXVII) ist ein offenbar als Student auf dem Weg in den Süden oder von dort zurück nördlich der Alpen befindlicher monastischer Reisender dokumentiert.

Die seit der Aufdeckung der Wandmalereien zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehrfach in der kunstgeschichtlichen Literatur wiederholte Behauptung, es habe sich „neben dem rechten Rippenlaufe“ im Putz eine Ritzinschrift Hans Metzler 1329 befunden, ließ sich vor Ort nicht bestätigen3). Die Lesung von 1329 scheint – abgesehen von ihrem angeblichen Auftauchen im Rahmen einer rund hundert Jahre jüngeren Wandmalerei – auch aufgrund der Verwendung arabischer Ziffern unwahrscheinlich4), weshalb auch der Meinung, es könnte sich bei Hans Metzler um den Maler oder gar den Erbauer der Kirche gehandelt haben5), hier deutlich widersprochen sei6).

1) Lunger, Fresken 125.
2) Vgl. Einleitung Kap. 6.5.
3) Vgl. etwa Atz, Kunstgeschichte 678.
4) Vgl. Einleitung Kap. 5.7.
5) So zuletzt Lunger, Fresken 124f.
6) Uns ist zudem kein einziges Beispiel einer Bauinschrift mit der Nennung entweder des Malers oder des Stifters aus dem Tiroler Raum (oder auch aus anderen Inschriftengebieten) bekannt, das man in Form eines (naturgemäß schlecht sicht- und haltbaren) Graffitos angebracht hätte.
Literatur

Lunger, Fresken 124f.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 127,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj127.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 109: Graffiti (1436 u. a.), Detail

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Abb. 110: Detail

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Abb. 111: Detail

©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Romedio Schmitz-Esser)