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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

128 Kauns, Burg Berneck 1437

Bauinschrift und Namensbeischriften zu Wappendarstellungen, Wandmalerei, an der Westwand der Burgkapelle über dem Eingang. In einem rotgerahmten, oben den Konturen des Schildbogens, unten dem flachen Segmentbogen des Portals folgenden Feld oben ein Vollwappen mit zwei Helmen, zu beiden Seiten der Fersenstelle je ein sieben- (links) bzw. sechszeiliger, schwarz auf weiß aufgemalter Inschriftenblock, der Text jeweils über beide Blöcke hinweg zeilenweise fortlaufend zu lesen (I). Die Zwickel des Schildbogens zu beiden Seiten des Felds ausfüllend zwei zur Mitte gewandte Vollwappen mit gelehntem Schild, darunter jeweils eine einzeilige schwarze Namensbeischrift (II und III). Inschrift I war durch ältere Beschädigungen und eine Restaurierung des 19. Jahrhunderts bereits derart entstellt, dass der heutige Bestand bei einem neuerlichen Eingriff 1941/42 unter großzügigen Überarbeitungen hergestellt wurde1); deshalb zeigt die Inschrift auch nach einer weiteren Restaurierung von 1985/862) starke Manipulationen und Verfälschungen des Bestandes.

Bu. 4 cm (I–II), 3–3,5 cm (III). – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

I. Es ist ze wissen das hansa) // wilhelmb) von mülinen denc) · / man nennetd) truksess xxviii // iare) bey meinem herrennf) herczog / fridreichen dem Eltern von Osterrei//che) (et) c(etera)g) in diesem land der graffa) · / schaft ze tyrol vnd wo er in seinem // landene) hat gewonet dienerh) gewesen / ist der auch die gege(n)wertigei) veste in // hafte) gezwetj) vnd erhebt vndk) ista) · / solher paw volbracht der merer teil // bartholomeuse) tag des mccccol) und xxxvii / jar vnd hantz angevangen in ein iara) · II. · hans · hertenbergerm) · III. · leo · bamkirchern) ·

Anmerkungen
a) folgt ornamentales Füllzeichen.
b) Übergang auf den zweiten Schriftblock; w bei Restaurierung zu m verändert.
c) folgt rosettenartiges Füllzeichen.
d) bei Restaurierung zu nemet verändert.
e) Übergang auf den zweiten Schriftblock.
f) so wohl der ursprüngliche Bestand; bei Restaurierung zu heerren verändert.
g) bei Restaurierung zu ze verändert.
h) so wohl der ursprüngliche Bestand; bei Restaurierung zu diensten verändert.
i) so wohl der ursprüngliche Bestand; bei Restaurierung zu gege(n)wa͜ertige verändert.
j) ursprünglicher Bestand von gezwet unklar, folgendes vnd im heutigen Bestand zu und verändert.
k) so wohl der ursprüngliche Bestand; bei Restaurierung zu vvd verändert.
l) über jedem c ein kleiner vollrunder Punkt; ursprünglich wohl kleine hochgestellte o.
m) Trennzeichen aus drei vollrunden Punkten in Form eines nach links gewendeten gleichseitigen Dreiecks bestehend.
n) so wohl der ursprüngliche Bestand; bei Restaurierung zu bomkircher verändert; Trennzeichen aus drei vollrunden Punkten in Form eines nach links gewendeten gleichseitigen Dreiecks bestehend.

Datum: 1437 August 24.

Wappen: Mülinen/unbekannt3), Hertenberger4), Baumkircher5).


Kommentar

Die Kapelle der Burg Berneck stammt in ihrer heutigen Form aus der Zeit des Ausbaus der Burg unter Hans Wilhelm von Mülinen6), der der gegenständlichen Inschrift zufolge damals seit 28 Jahren als Truchsess im Dienst Herzog Friedrichs gestanden habe; der Bau sei am Tag des Hl. Bartholomäus 1437 eingeweiht worden (zur Bautätigkeit an der Burg von 1437 s. auch Kat.-Nr. 129). Am 4. Juli 1482 fand eine (erneute) Weihe der Kapelle durch den Weihbischof Konrad Reichard statt7).

Inschrift und Wappen der Kapelle rekurrieren auf Hans Wilhelm von Mülinen, der die Burg 1435 von Herzog Friedrich zu Lehen bekam. Zuvor war sie im Besitz der Bernecker gewesen, von denen sie nach dem Tod der letzten Berneckerin 1413 an Sigmund von Annenberg gefallen war. Von Hans Wilhelm von Mülinen ging die Burg an dessen Bruder Hans Egli über; 1458 wurde sie von Herzog Sigmund an Hans Kripp verlehnt8).

Die dargestellten Wappen in der Kapelle weisen mit dem erweiterten Wappen der Mülinen auch auf die Truchsessen von Diessenhofen und somit auf die kognatische Verwandtschaft der Familie hin9). Das Wappen der Hertenberger weist zusammen mit Inschrift II auf Hans Hertenberger, den Schwiegervater des Hans Wilhelm von Mülinen, hin; es war 1819 mit dem Wappen der Freiherren von Pach übermalt worden10).

Die wiederholten restauratorischen Eingriffe haben nicht nur den Inschriftenbestand stellenweise verfälscht, sondern auch zahlreiche originale Einzelformen entstellt: so wurden etwa fast alle l am oberen Schaftende s-artig umgeknickt und willkürlich mit zwei steil rechtsschrägen Haarstrichen durchstrichen. Auch die Verwendung von u am Wortbeginn entspricht zweifellos nicht dem ursprünglichen Bestand.

1) Vgl. Comploy, Burgen 31; Dehio Tirol 404 und Hörmann, Berneck 94.
2) Baumann-Oelwein, Kostbarkeiten 215 und Klien, Kunstschätze 62.
3) Geviert, offenbar Eheallianzwappen in einem Schild; 1 und 4: Mülinen, s. Si Wü 2f. und Taf. 3 (Stammwappen) und vgl. auch Württembergisches Adels- und Wappenbuch 524; 2 und 3: in Silber ein schwarzer Kessel; zwei bekrönte Spangenhelme mit schwarz-goldener Helmdecke, einer mit dem Mühlrad, der andere mit einem schwarzem Pfauenstoß als Helmzier.
4) In Rot eine goldene besamte Rose, von der drei silberne Pfeile deichselweise ausgehen; Stechhelm mit rot-goldener Helmdecke und der Rose mit drei darauf senkrecht gestellten Pfeilen mit Spitzen nach unten als Helmzier.
5) Gold-blau geteilt, belegt mit drei Wecken in verwechselten Farben. Si TirA 20 und Taf. 2 überliefern ein abweichendes Wappenbild (ein Kirchengebäude).
6) Vgl. Hörmann, Berneck 90–96. Zur Geschichte der Burg vgl. insbesondere ebda, 58–67.
7) Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 4, 373f.
8) Comploy, Burgen 23f. und 28; Weingartner, Burgen im Oberen Gericht 259; Ammann, Oberland 201; Hörmann, Berneck 58–67 und Kripp, Kripp von Prunberg 30. Vgl. auch Kögl, Edelgeschlechter 81, sowie den dortigen Abschnitt zu den Herren von Berneck.
9) Hörmann, Berneck 94.
10) Hörmann, Berneck 95 und Baumann-Oelwein, Kostbarkeiten 211.
Literatur

Trapp, Kunstdenkmäler 129. – Weingartner, Burgen im Oberen Gericht 259–261. – Comploy, Burgen 33. – Dehio Tirol 404. – Ammann, Oberland 201f. – Hörmann, Berneck 94f. – Baumann-Oelwein, Kostbarkeiten 210f. – Klien, Kunstschätze 62.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 128,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj128.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 112: Bauinschrift (1437)
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Romedio Schmitz-Esser)