Die Inschriften des Bundeslandes Tirol
Politischer Bezirk Landeck
136 |
Serfaus, Fk. Hl. Georg ob Tösens |
1482 |
Wandmalereien mit erklärenden Beischriften, als Teil einer geschlossenen malerischen Gesamtausstattung der Kirche (s. auch Kat.-Nrr. 135 und 137f.) die Westwand ausfüllend. Die Wandfläche ist in ihrer oberen Hälfte in eine insgesamt achtteilige Szenenfolge zu zwei übereinander liegenden Bildregistern mit breiten rotbraunen Rahmen gegliedert, deren unteres mittig vom Eingangsportal mit gemalter Scheinarchitektur durchbrochen wird. Die Darstellungen bilden den ersten Teil eines Passionszyklus, der sich in den Wandmalereien der nördlichen Langhauswand fortsetzt (Kat.-Nr. 137). Die Szenenfolge beginnt oben links mit dem Einzug in Jerusalem, dem das letzte Abendmahl folgt. Unmittelbar über dem Portal links Judaskuss, rechts Christus vor Pilatus (oder vor dem Hohepriester?), daneben in der rechten oberen Ecke in leicht querrechtekkigem Bildfeld Geißelung Christi. Im unteren Register links neben der Tür Dornenkrönung und Christus vor Herodes (oder vor Pilatus?), rechts der Tür Ecce Homo; zu Füßen Christi ein weißes querrechteckiges Schriftfeld mit einzeilig schwarz aufgemalter Inschrift (I). Die am rechten Bildrand stehende Frauenfigur in ockerfarbenem Gewand und weißem Gebende hält ein senkrecht gestelltes gewundenes Spruchband mit einzeiliger schwarzer Inschrift (II); Zeilenlinierung sichtbar. Unterhalb der Szenen des unteren Registers durchlaufendes, stark reduziertes und fragmentiertes, weiteres Bildregister mit zweizeilige Spruchbänder haltenden Aposteln und Propheten in Halbfigur, durch gemalte Säulchen voneinander abgesetzt; anstelle von zwei Figuren je ein Konsekrationskreuz aufgemalt. Bei der (Propheten-) Figur mit rötlich-brauner Kleidung ganz links wurde nur die erste Zeile des Spruchbandes beschriftet (III). Auf diese stark verblasste Figur folgt rechts ein Mann mit grüner Kappe, dessen Spruchband nur mehr fragmentarisch zu lesen ist (IV). Rechts des Portals sind zwei weitere Figuren zu sehen, wobei nur mehr das Spruchband links bei der Figur Davids mit Kappe ansatzweise lesbar ist (V). Der Zustand der Fresken muss Ende des 19. Jahrhunderts äußerst schlecht gewesen sein1). Offenbar betrafen die an der Südwand dokumentierten Restaurierungskampagnen (s. Kat.-Nr. 135) auch die Westwand, wobei hier die Inschriften weniger stark beeinträchtigt wurden.
H. 11 cm (I), 5 cm (II), B. 48 cm (I), 34 cm (II), Bu. ca. 8 cm (I) bzw. 3–4 cm (II– IV). – Gotische Minuskel.
Textedition
I.
ecce // homoa)
II.
crvcifigeb) evm
III.
– – – utin]am celos disrv(m)peres et descendere[s]
IV.
[memento quia ventus est] vita me[a] et no(n) [revertetur oculus meus ut videat
bona n]ec aspiciet m[e] visvs homin[is oculi tui in me et non subsistam]c)
V.
davit · [– – – / – – –
Anmerkungen
Sehet den Menschen! (I).
Kreuzige ihn! (II).
Reiß (doch) den Himmel auf und komm herab (III).
Denk daran, dass mein Leben nur ein Hauch ist. Nie mehr schaut mein Auge Glück. Kein Auge gewahrt mich, das nach mir sieht, suchen mich deine Augen, dann bin ich nicht mehr da (IV).
Io 19,5 (I); Io 19,15 (II); Is 64,1 (III); Iob 7,7f. (IV).
Kommentar
Die Inschriften der Passionsszenen geben die Aussprüche des Pilatus (I) und der Menge (II) wieder, als Christus nach der Geißelung dieser vorgeführt wird. Dementsprechend zeigt die Szene links den sich die Hände in Unschuld waschenden Pilatus, in der Mitte den von zwei Häschern dem Volk präsentierten, geschundenen Christus und rechts vier Personen aus dem Volk, die die Kreuzigung Christi fordern.
Bei Inschrift III handelt es sich offenbar um ein Zitat nach Is 64,1; demnach könnte es sich bei der Figur um den Propheten Jesaja handeln. Die Inschriften IV und V lassen kaum einen Zweifel daran, dass es sich hier jeweils um Ijob und David handelt. Die Darstellung des Ijob fügt sich zur Figur des Propheten Daniel an der Nordwand, der ebenfalls ein Spruchband mit einem Bibelzitat in Händen hält (vgl. Kat.-Nr. 137).
Die Wandmalereien werden dem Innsbrucker Maler Marx Danauer zugeschrieben, der sich in den Inschriften an der Südwand zum Jahr 1482 selbst als Ausführender nennt (vgl. Kat.-Nr. 135). Die dortige Datierung wurde auch für die gegenständlichen Malereien übernommen.
Literatur
Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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