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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

158 Landeck, Pfk. Mariä Himmelfahrt 1. Jz. 16. Jh.

Taufstein mit Wappenbeischriften, Kalkstein, im Langhaus vor dem rechten Seitenaltar. Das achtseitige Becken zeigt an jeder Seite in vertieftem, annähernd quadratischem Feld mit profilierter Rahmung einen tartschenförmigen Wappenschild; auf der darüber liegenden seicht vertieften Rahmenleiste befindet sich je eine einzeilige vertieft erhabene Wappenbeischrift. Den Mittelpunkt der Wappenreihe bildet der nicht gelehnte österreichische Bindenschild, alle anderen Schilde sind jeweils (als Eheallianzwappen?) paarweise gegeneinander gelehnt. Zwei nebeneinander liegende Felder zeigen heute wohl infolge älterer Beschädigungen leere Inschriftenfelder und ledige Schilde, wobei wenigstens einer davon erst sekundär abgestockt wurde. Am Fuß des Beckens sind weitere Wappenreliefs und zwei rosettenartige Zierformen angebracht. Inschriften durch Ausbrüche im Stein und unsachgemäße Restaurierungsmaßnahmen beschädigt. Die beschädigten Felder mit ockerfarbener Schlämme überzogen.

Bu. 7 cm. – Gotische Minuskel.


Textedition
			

osterreicha) · // · ifan // [– – –] // [schr]ofen·s[ta]in · // · wolken·stainb) · // · 1c) · 5 0d) · [.] // [– – –] // [ann]e·berge) ·

Anmerkungen
a) alle Trennzeichen quadrangelförmig bzw. Quadrangeln mit angesetzten Zierhäkchen.
b) oberer, wohl quadrangelförmiger Teil des gebrochenen oberen Schrägschafts von k beschädigt.
c) vor 1 in Form eines Gotischen Minuskel-i Quadrangel mit vier eingerollten Zierhäkchen.
d) folgen Reste von eingerollten Haarzierstrichen: Trennzeichen oder Teil einer Ziffer?.
e) folgt als Füllzeichen eine Raute in Binnenkontur, die Spitzen mit Dreiblättern besetzt.


Wappen: (oben) Österreich (Bindenschild), Ifan1), Schrofenstein2), Wolkenstein3), Annenberg4),
(unten, beginnend mit dem Feld unter dem österreichischen Bindenschild) Ifan (?)1), Österreich (Binden­schild), unbekannt5), unbekannt6), Ifan (?)1).


Kommentar

Nach Jenny sollen zwei Seiten des Taufsteines anlässlich einer Umstellung „abgeschrotet“ worden sein; dabei seien die Wappenbilder der zwei heute ledigen Schilde zerstört worden7). Die Datierung des Taufsteines auf 1506, wie sie in der Literatur einhellig angenommen wird, ist durch die Inschrift nicht zu stützen, da die letzte Ziffer der Jahreszahl aufgrund einer Fehlstelle in diesem Bereich nicht mehr eindeutig lesbar ist. Unstrittig stammt der Stein jedoch aus dem ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts, was ihn in einen direkten Zusammenhang mit zahlreichen anderen erhaltenen Taufsteinen aus dem Oberland stellt (vgl. etwa Kat.-Nr. 39). Die gesamte Gestaltung des Taufsteins erinnert jedoch am stärksten an den jüngeren Taufstein der Fließer Pfarrkirche (Kat.-Nr. 167). Nach Tinkhauser/Rapp beziehen sich die Wappen auf jene Geschlechter, die sich dem Gotteshaus gegenüber freigiebig erwiesen haben8). Die Familien Ifan und Schrofenstein stellten beide Pfleger von Landeck9), die Annenberger waren mit den Schrofensteinern verschwägert10). Das Wappen der Wolkensteiner könnte sich durch Praxedis von Wolkenstein, die Frau des Landecker Pflegers Oswald von Schrofenstein, erklären11).

Die Schriftformen der Landecker Wappenbeischriften weisen einige Besonderheiten auf: da alle Buchstaben samt Ober- und Unterlängen in den schmalen vertieften Rahmenleisten unterzubringen waren, also Ober- und Unterlängenbereich de facto völlig eliminiert sind, nimmt etwa der Bogen des b nicht die ganze Höhe des Mittelbands ein. Bei w laufen alle (Schräg-) Schäfte an der Grundlinie spitz zusammen und bilden eine nach unten weisende dreieckige Außenkontur. Die Schriftformen des Taufsteins hat sich die Inschrift des offenbar im Zuge der Restaurierungen der Kirche im späteren 19. Jahrhundert neu geschaffenen Tympanons im Nordportal, das mitunter fälschlich für spätgotisch gehalten wurde, zu eigen gemacht (s. ausführlicher Einleitung Kap. 8).

1) Gespalten.
2) Ein oberhalber Steinbock, aus dessen Rumpf fünf Flammen schlagen.
3) Si Tir 19 und Taf. 23 (Wappen 3 [Wolkenstein-Trostburg]) bzw. Bay 24b und Taf. 20 (I. Wappen; jedoch ohne Herzschild), vgl. auch Württembergisches Adels- und Wappenbuch 1085.
4) Si Tir A 20 und Taf. 1 (Stammwappen).
5) Gespalten; in beiden Feldern ein griechisches Kreuz. Das Wappen konnte auch Jenny nicht auflösen; er vermutet, es sei „wahrscheinlich Stiftern aus dem Bürger- oder Bauernstand zuzuschreiben“; Jenny, Kirche 25.
6) Gespalten; rechts ein Schrägbalken. Das Wappen konnte auch Jenny nicht auflösen; er vermutet, es sei „wahrscheinlich Stiftern aus dem Bürger- oder Bauernstand zuzuschreiben“; Jenny, Kirche 25.
7) Jenny, Kirche 25.
8) Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 4, 47.
9) 1488 Oswald von Schrofenstein, 1498 Hans und Anton von Ifan, 1518/1520 Rueland und Sigmund von Schrofenstein; Caramelle/Beimrohr, Landeck 124. Vgl. dazu auch Mayrhofen, Genealogien 7, 114.
10) Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 4, 47. Nach Caramelle/Beimrohr stellte Hans von Annenberg 1495 „einen Pfleg- und Amtsrevers aus“; Caramelle/Beimrohr, Landeck 124. Nach Jenny war er ebenfalls Pfleger zu Landeck und 1490 Hofmeister bei Erzherzog Sigmund; Jenny, Kirche 25.
11) Vgl. Kat.-Nr. 156†.
Literatur

Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 4, 47. – Jenny, Kirche 25. – Atz, Kunstgeschichte 621. – Egg, Bauhütte von Grins-Landeck 62f. – Ammann, Oberland 221. – Dehio Tirol 456.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 158,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj158.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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