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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

196 Obsaurs (Schönwies), Kirche Hl. Vigil 1569, 1571 (?), 1592, 1593, 1604, 1613, 1649 (?)

Ensemble von mehreren Graffiti (Spruchinschriften bzw. Wortdevisen, Namensinschriften, Jahreszahlen), Rötelstift, innen an der Langhaussüdwand im Westjoch links neben und unter der Fensterlaibung, links der jüngeren Darstellung des Apostels Andreas (vgl. Kat.-Nr. 241) bzw. rechts unter der Fensterlaibung, neben und im Bereich der jüngeren Darstellung des Apostels Johannes. Zuoberst, links der Fensterlaibung, dreizeilige Inschrift (I), unterhalb anschließend und deren unterste Zeile unklammernd dreizeilige Inschrift (II). Auf der Höhe des unteren Fenstergesimses befindet sich ein Christus- bzw. Jesusmonogramm (III). Links unter dieser Inschrift neben dem Dienst, der das östliche vom westlichen Joch des Langhauses trennt, finden sich graphisch dargestellte Pilgerzeichen: Ein griechisches Kreuz, das von zwei Stäben (oder Lanze und Essigschwamm?) in Form eines Andreaskreuzes hinterlegt wird (Arma Christi?), darunter eine Jakobsmuschel. Unter der Jakobsmuschel mehrere, bereits stark verblasste Spruchinschriften und Jahreszahlen (IV, V, VI), rechts daneben zwei weitere Inschriften (VII, VIII). Weiter rechts, unmittelbar links der Figur des Apostels Andreas, eine weitere, mehrzeilige Folge von Namensinschriften (IX). Unterhalb des Fensters, im Bereich der Hüfte des Apostels Johannes (vgl. Kat.-Nr. 241), knappe Namensinschrift (X), darunter einzeiliger Anwesenheitsvermerk (XI). Rechts der Figur des Johannes auf Brusthöhe bzw. unmittelbar unterhalb der Grabinschrift der Martha Kolb (Kat.-Nr. 182) zweizeiliger Anwesenheitsvermerk (XII). Im 18. Jahrhundert wurden die Graffiti weiß übertüncht, 1962–67 freigelegt und 1994/95 restauriert. Inschriften stellenweise schwer lesbar.

Bu. 1–5 cm. – Deutsche Schreibschrift (Kurrent) und Kapitalis (III).


Textedition
			

I. 1592 jar / wan gott wil so ist mein / zila) Jch heis theichtl II. 15//93b) / Jch Eustackcch auf tann haim / zuman zu kunzingenc) III. CHR(ISTVS) IES(VS)d) IV. 1604e) Jarf) / Zue Gott / Mein hoffnu(n)g / Wan Gott wil So / ist mein zil / [– – –]henk V. 16g) · 4[.]h) VI. 159[.]i) VII. 15 69 / Zu gott mein Hoffnung VIII. A F 15 69 IX. Jannes Synng[er] / Gall Sinng(er) / Sy[– – –]s lyses / [– – –] bynckl / G[– – –] p[.]ntz langer / S[te]ffan Vil[.]ler / [..]it[..] flottin X. Jörg XI. 15 X 71 mol[...] XII. Jörg [....] 1Wj) 16 · 13k) Jor / an vns[e]r frav(en) liechtmeß

Anmerkungen
a) die folgenden Wörter etwas nach rechts unten abgesetzt.
b) 15 teilweise konturiert; Unterbrechung durch letzte Z. von Is. I.
c) folgt in eigener Z. eine Hausmarke (s. Nachzeichnung in Anhang 1).
d) Nomina Sacra; der hausmarkenartig wirkende Bestand zeigt I und H sowie in Nexus litterarum mit diesem ein retrogrades schreibschriftliches langes s; aus der Mitte des nach links bis zum Schaft des I verlängerten H-Balkens wächst außerdem ein P mit über dessen Schaft gelegtem X.
e) 1 teilweise konturiert.
f) Wort bes. schlecht erhalten; in Is. III hineingeschrieben.
g) 1 konturiert.
h) letzte Ziffer nur mehr fragmentarisch erhalten: 9?.
i) Schrift konturiert; letzte Ziffer nicht sicher zu lesen: 3?.
j) verschränktes W; vielleicht als monogrammatische Schreibung von V V gemeint.
k) Trennzeichen vollrund.

Deutsche Reimverse (I und IV).


Datum: 1613 Februar 2 (XII).


Kommentar

In welchem Zusammenhang die dicht an der Kirchenmauer aufgebrachten Namensinschriften bzw. Kombinationen von Namens- und Spruchinschriften oder Wortdevisen stehen (Anwesenheitsvermerke von in Gruppen anreisenden Besuchern oder einer korporativen Personengruppe der Pfarre – Zechleute?), ist unklar. Offenkundig wurde die von mehreren Schreibern praktizierte Anbringung einer wortdevisenartigen Spruchinschrift von einem jeweils älteren Vorbild angeregt – signifikanterweise wurden die beiden Sprüche „Zu Gott mein Hoffnung“ des 1569 mit AF monogrammatisch verewigten Schreibers (VII) und „Wenn Gott will, ist mein Ziel“ (vgl. die entsprechende Wortdevise des Christian Müller von 1660 im Pfundser Richterhaus, Kat.-Nr. 273) des ungewöhnlicherweise lediglich als theichtl unterzeichneten Kirchenbesuchers (I) von 1592 gewissermaßen kanonisiert, wie der Vermerk von 1604 belegt (IV). Der Schreiber von Inschrift II, ein offenbar aus dem Tannheimer Tal stammender Eustach, scheint seiner Selbstaussage zufolge eine Funktion im Rat oder in einem Handwerksgremium im bayerischen Künzing bekleidet zu haben; die Schreibung seines Namens als Eustackcch entspricht einer dialektalen Aussprache des Namens im Tirolerischen und könnte vielleicht so zu erklären sein. Zum zeitlichen Verhältnis der mit Rötelstift ausgeführten Anwesenheitsvermerke an der Südwand des Westjochs zu den dortigen Apostelfiguren s. Kat.-Nr. 241.

Literatur

Kundratitz, Restaurierungsbericht 12.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 196,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj196.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 137–138:
Graffiti (1569 u. a.)
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Romedio Schmitz-Esser)