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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

216 Ladis Nr. 26 (Dorfstraße 6) 1590

Fassadendekoration mit Bauinschrift, Wappenbeischrift, Monogrammen bzw. Initialen und Jahreszahl, Wandmalerei, an der hangseitigen Giebelmauer des ehemaligen Gasthofs Rose1). Dreigeschossiges Mittelflurhaus mit leicht aus der Mitte nach rechts versetztem Rundbogentor mit gemalter Rustikalgliederung, die Gebäudekanten mit gemalten Pilastern akzentuiert, unmittelbar an Nr. 27 anschließend. Alle Fenster sind mit formen- und variantenreich gemalter architektonischer Rahmung versehen, die Giebelaufsätze jeweils individuell mit Symbolen (etwa im Erdgeschoß rechts des Tors mit Totenschädel und Sanduhr auf Buch), figürlich bzw. szenisch (im ersten Obergeschoß jeweils zwei auf den Giebelwangen kauernde männliche bzw. weibliche Figuren, einander zutrinkend bzw. in Begleitung eines Schoßhundes usw.) belebt. Im Erdgeschoß zwischen den beiden linken Fenstern nach rechts reitendes Pferd (Werbung für das Gasthaus als Einstellplatz). Im ersten Obergeschoß Wandmalereien von links nach rechts: ganz außen Christus Salvator, das Kreuz samt Titulus (I) in der Linken, in der Rechten einen Kelch haltend; im Giebel des rechts anschließenden äußerst linken Fensters eine Kartusche mit rot gerahmtem, beiderseits geöstem Inschriftenfeld samt schwarz aufgemalten Monogrammen (II), zu denen ergänzend wohl Inschrift V zu lesen ist. Zwischen diesem und dem zweiten Fenster von links hochrechteckiges Bildfeld Enthauptung Johannes des Täufers, darunter ein Vollwappen in längsovalem Medaillon mit Lorbeerrahmung. Zwischen zweitem und drittem Fenster von links hochrechteckiges Bildfeld Paulussturz. Zwischen drittem (mittlerem) und dem äußerst rechten Fenster zwei architektonisch gerahmte hochrechteckige Wappenfelder zwischen zwei Pilasterfunktion übernehmenden hochrechteckigen Bildfeldern mit nackten Männer- (seitlich) bzw. Frauengestalten (Mitte). Im linken, einfach rot gerahmten Wappenfeld vor blauem Hintergrund ein Vollwappen, am Unterrand auf weißer Leiste eine einzeilig schwarz aufgemalte Wappenbeischrift (III). Im Unterhang eine querrechteckige weiße, mit roter Beschlag- und Rollwerkrahmung versehene, beiderseits geöste Inschriftenkartusche mit vierzeiliger schwarzer Inschrift (IV), zu beiden Seiten von je einer Meerjungfrau als Bestandteil der Rahmung gehalten. Über den beiden Wappenfeldern jeweils Giebelaufsätze, mit Fuchs bzw. Meerkatzen (links sich in einem Spiegel betrachtend, rechts auf einem Buch sitzend) belebt. Im Giebelaufsatz des anschließenden rechten Fensters Kartusche mit Wappe­nschild, beseitet von je einer schwarzen Initiale auf weißem Grund, vermutlich inhaltlich zu Inschrift II gehörig (V). Im zweiten Obergeschoß rechts des mittleren Fensters schwarz aufgemalte Jahreszahl (VI). Nach Matscher beschädigte ein Brand 1683 die Wandmalereien der Fassade2). 1969 im Zuge der vollständigen Entkernung des Gebäudes (zusammen mit dem nebenstehenden Haus Nr. 27, s. Kat.-Nr. 217, vom Altbestand nur die Giebelmauer erhalten) renoviert.

Bu. ca. 4 cm (I), 12 cm (II und V), 6 cm (III), ca. 3 cm (IV), ca. 30 cm (VI). – Kapitalis (I, II und V) und Fraktur (III und IV).


Textedition
			

I. INRI II. A͜Fa) · CT III. Märckh IV. Jchb) Hanns Märckh hab / Erpautt das Haus mit-/sambt meiner Haußfrau / Kristina Geborene Han V. M(aler)c) // K(necht) VI. 1590 .

Anmerkungen
a) Trennzeichen quadrangelförmig.
b) über u jeweils zwei Quadrangeln als diakritische Zeichen.
c) unterbrochen durch den Wappenschild.

Wappen: Märck3), Han4), Malerzunft5).


Kommentar

Das Ehepaar Hans Märck und Christina Han gab 1590 diese qualitätvollen Fassadenmalereien in Auftrag. Die Malereien an der Fassade lassen sich nach dem Nexus litterarum A͜F in Inschrift II mit großer Wahrscheinlichkeit dem Oberländer Maler Alexander Fischer zuschreiben6), der mit demselben Graphem wenige Jahre darauf auch Rankenmalereien in der Pianser Margarethenkapelle (vgl. Kat.-Nr. 223) und wesentlich später am Grassmayrhaus in Habichen seine Arbeit signierte (vgl. Kat.-Nr. 95). Die Initialen CT, die auf Fischers monogrammatische Signatur folgen (II), deuten offenbar darauf hin, dass ein zweiter Künstler an diesen Fassadenmalereien Anteil hatte7). Unter den Fassadenmalereien, die Alexander Fischer zugeschrieben werden, stellen diese aus Ladis das früheste Werk dar. Zu diesem Befund passt wohl gut die in Inschrift V – den Monogrammen der beiden Maler symmetrisch gegenüberstehend – angeführte Bezeichnung der beiden Ausführenden als Malerknechte8), also Handwerksgesellen, die noch nicht ihre Meisterstücke abgeliefert hatten. Die Formensprache der Fassadendekoration erinnert in nicht wenigen Details stark an die Wandmalereien von 1565/69 in Landeck (Kat.-Nr. 193). Vielleicht hatten die beiden jungen Maler der Ladiser Fassade in der älteren Werkstatt ihr Handwerk gelernt. Die malerischen Fassadengestaltungen in Oetz von 1573 und Wenns von 1576 (Kat.-Nrr. 60f.) lassen ebenso starke Parallelen mit der vorliegenden erkennen. Auch das für das Gasthaus werbende Pferd findet sich in Wenns und Ladis gleichermaßen. Die allerengsten Bezüge der Ladiser Malereien bestehen jedoch zu der undatierten, doch wohl etwa gleichzeitigen inschriftenlosen Fassadendekoration des Ladiser Hauses Nr. 3, das trotz starker restauratorischer Eingriffe unzweifelhaft denselben Ausführenden zuzuschreiben ist, sowie zum unmittelbar benachbart liegenden heutigen Ladiser Gemeindehaus (Kat.-Nr. 217), das vielleicht fälschlich als ebenfalls im Besitz Märcks stehend angenommen wurde.

Nach Matscher soll sich „im Gebälk [des Hauses] die Jahrzahl 1384“ befunden haben9).

1) Haus Nr. 26, zugleich Dorfstraße 6. Zu den Malereien am nebenstehenden Gemeindehaus vgl. Kat.-Nr. 217.
2) Matscher, Am obersten Inn 230.
3) Silber-rot (die Farbe tatsächlich rotbraun) schräglinksgeteilt, mit einem Löwen in verwechselten Farben belegt, der einen ausgerissenen Rosenstock mit drei Rosen in der linken Pranke hält; Stechhelm mit rotsilberner Helmdecke und dem aus der Helmdecke wachsenden Löwen des Schildes als Helmzier.
4) Hausmarke; s. Nachzeichnung in Anhang 1. Klien, Beinahe 1000 Jahre 203, deutet dieses Wappen als Hausmarke Märckhs.
5) In Rot drei silberne ledige Schilde.
6) Vgl. Einleitung Kap. 6.4.4.
7) Klien, Beinahe 1000 Jahre 198 deutet die beiden die Kartusche flankierenden Liegefiguren als „zwei Landsknechte“ und interpretiert die Initialen demnach abwegig als „vielleicht Name des Feldhauptmannes, Obristen, Symbol für Werbeplatz der Landsknechte oder Landesverteidiger“.
8) Klien, Beinahe 1000 Jahre 206, deutet M K wohl unzutreffend als Initialen der K(ristina) M(ärkch).
9) Matscher, Am obersten Inn 230. Vermutlich handelt es sich jedoch lediglich um die Fehllesung der außen am Bundtram des Giebels eingeschnitzten Jz. 1684, die sich auf die Beschädigung des Dachstuhls beim Ladiser Brand von 1683 und die im Folgejahr abgeschlossene Neuerrichtung des Dachwerks bezieht.
Literatur

Deininger, Wandgemälde 489–491. – Matscher, Am obersten Inn 230. – Ammann, Oberland 204f. – Dehio Tirol 452. – Klien, Kunstschätze 109f. – Klien, Beinahe 1000 Jahre 186–207. – Schmitz-Esser, Herrschaftsrepräsentation 68f.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 216,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj216.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 147: Fassadendekoration
(1590) Detail
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Werner Köfler)