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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

234 Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum 1608

Bildfenster (Wappenscheibe; Inv. Nr. GL 5251)) mit Gebetstext und Stifterinschrift, aus Burg Finstermünz oder Schloss Sigmundsried2) stammend, unmittelbares Gegenstück zu Kat.-Nr. 235. Die hochrechteckige Scheibe zeigt im oberen Viertel drei annähernd quadratische Bildfelder. Verkündigung Mariä: ganz links Maria am Lesepult mit der Taube des Heiligen Geistes, ganz rechts der Verkündigungsengel mit einem gelben, einzeilig schwarz beschrifteten Spruchband in der Hand (I). Die zusammengehörigen beiden Bilder mittig unterbrochen von der Personifikation der Justitia, in antikisierender Rüstung liegend. Den mittleren Bereich der Scheibe nimmt das annähernd quadratische Bildfeld mit dem von den Hll. Johannes dem Täufer (links, mit dem Lamm, in einfachem braunen Gewand) und Jakobus dem Älterem (rechts als Pilger) als Namenspatrone des Stifters flankierten Vollwappen mit zwei Helmen vor einem perspektivisch unklaren Raum mit einem gelb-schwarz schachbrettartig gemusterten Boden ein. Das Oberwappen ist mit einer weißen Scheibe hinterlegt, die durch drei herabhängende gelbe Kordeln als Vorhang gekennzeichnet wird. Links und rechts zwischen diesem weißen Vorhang und den Nimben der beiden Figuren bildet eine rote Scheibe den Hintergrund der Szene, die nach oben von einem schmalen blauen Fries abgeschlossen wird. Das untere Viertel der Scheibe bildet ein von zwei rotbraunen Postamenten beseitetes, querrechteckiges weißes Schriftfeld mit einer vierzeilig schwarz auf weißem Grund ausgeführten Inschrift (II). Zumindest dieses Schriftfeld ist offenbar sekundär neu verbleit worden, da man einen Steg senkrecht in der Mitte über die Inschrift gelegt hat und bei der Rahmung so breite Stege verwendete, dass heute ein Teil der Buchstaben verdeckt ist.

B. 22,5 cm, H. 32,3 cm, Bu. ca. 0,5–0,7 cm. – Kapitalis (I) und Fraktur (II).


Textedition
			

I. AVEa) MARIA // GRATIA PLE//NA DOMI//NVS // TECVM II. Hansb) · Jacob · Gra//[f ]ing(er)c) · Vo(n)d) · solegg · Pfleg[er]e) / Der · R(ömisch) · kay(serlichen) · mey(estät) · vn//[d]f) · firstlih · Durchleichthi[ger]g) / Pfleg(er) · vnd · zoller · zu · // [S]egendtseggh) · Jn · Der · / fensterin · Me//ntzi) · 1 · 6 · 0 · 8j) ·

Anmerkungen
a) Is. auf die Abschnitte des gefältelten Spruchbandes verteilt; letztes Wort rechts der Engelsfigur.
b) Trennzeichen punktförmig.
c) f weitgehend von Bleisteg verdeckt.
d) kapitales V; o klein an der Oberlinie zwischen die Schrägschäfte von V eingestellt.
e) er von Bleisteg verdeckt.
f) d von Bleisteg verdeckt.
g) Ende der Z. von Bleisteg verdeckt; erg. nach dem Sinnzusammenhang.
h) sic! für Sigmundsegg; S von Bleisteg verdeckt.
i) sic! für Finstermüntz; erster Schaft des n von Bleisteg verdeckt.
j) vor und hinter der Jahreszahl ein Quadrangel mit angesetzten Zierhäkchen als Trenn- bzw. Füllzeichen.

Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir (I).

Ave Maria (I).


Wappen: Gräfinger3).


Kommentar

Hans Jakob Gräfinger war von 1602 bis zu seinem Tode 1634 Inhaber von Pflege und Zoll in Finstermünz4). Er war in erster Ehe verheiratet mit Eva Payr5), in zweiter Ehe mit Ursula Kripp6), von der sich eine im Aufbau völlig identische und als Gegenstück textlich unmittelbar auf die gegenständliche bezogene Wappenscheibe aus demselben Jahr erhalten hat, die ebenfalls ins Tiroler Landesmuseum übertragen wurde (vgl. Kat.-Nr. 235). Bei beiden Scheiben handelt es sich nach Zimmeter um eine Arbeit aus Augsburg oder Nürnberg7).

1) Inv.-Nr. alt Platte 1794.
2) Zu Finstermünz die Zuschreibung in Tiroler Burgenbuch; Palme-Comploy, Finstermünz 19. Laut Zimmeter gehört die Scheibe zu jenen 13 Fenstern, die 1841 aus Schloss Sigmundsried an das Ferdinandeum übergeben wurden; Zimmeter, Glasgemälde 56.
3) Geviert; 1 und 4: gold-silber gespalten, mit zwei farbverwechselten abgekehrten Palmzweigen belegt; 2 und 3: in Gold über schwarzem Dreiberg ein schwarzer Zickzackbalken; zwei bekrönte Spangenhelme: (heraldisch) rechts drei goldene und drei silberne Straußenfedern als Helmzier; Helmdecke rot-silber; (heraldisch) links ein goldener Spitzhut, mit schwarzem Zickzackbalken belegt; Helmdecke schwarz-gold. Das Wappenbild entspricht damit nicht den Tinkturen der Gräfinger, das eigentlich rot und silbern ausgeführt sein müsste; die rot-silberne Helmdecke des entsprechenden Spangenhelmes nimmt die eigentlich richtigen Tinkturen auf.
4) Mayrhofen, Genealogien 4, 104; Comploy, Burgen 97 und 99. Vgl. Palme-Comploy, Finstermünz 18.
5) Grabmayr, Payr 230. Vgl. Kat.-Nr. 209.
6) Kripp, Kripp von Prunberg 57f. und Comploy, Burgen 97. Nach Mayrhofen sei Hans Jakob Gräfinger zunächst mit Ursula Kripp, danach mit Magdalena Mayrhofen verheiratet gewesen; Mayrhofen, Genealogien 4, 104.
7) Zimmeter, Glasgemälde 72. Laut Zimmeter dürfte es sich bei dem Maler des aus Südtirol stammenden, 1825 an das Ferdinandeum übergebenen Glasfensters des Peter Mayr von 1613 (TLMF Inv. Nr. GL 542, zuvor Inv. Nr. Platte 1789) um eine Arbeit desselben Künstlers handeln; Zimmeter, Glasgemälde 81.
Literatur

Mayrhofen, Genealogien 4, 104. – Zimmeter, Glasgemälde 71f. – Comploy, Burgen 97, 99 (und Abb. 59). – Palme-Comploy, Finstermünz 18f.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 234,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj234.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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