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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

246 Landeck, Pfk. Mariä Himmelfahrt 1619, 1690, 1853

Tafelbild Gründungslegende der Landecker Pfarrkirche samt erklärenden Beischriften, Öl (?) auf Holz, innen an der Langhaussüdwand. Hochrechteckiges Gemälde in jüngerem (spätbarocken?) hellblauen Rahmen mit vergoldeten Ornamenten und Zierleisten: Bildfeld durch zwei einander kreuzende, illusionistisch aufgemalte goldene Leisten nach Art tordierter Blattwerksäulen in vier quadratische Felder mit Szenen der Gründungslegende gegliedert. Links oben werden einem Ehepaar vor deren Haus in Waldlandschaft zwei Kinder (ein Wickelkind, ein Kleinkind) von einem Wolf und einem Bären geraubt; rechts oben wird das Ehepaar bei der vergeblichen Verfolgung der beiden wilden Tiere gezeigt; links unten rufen sie die in der linken oberen Ecke in Strahlenkranz stehende Jungfrau Maria an, die das Wunder zur Rettung der beiden Kinder bewirkt: die Kinder werden von den Tieren den Eltern unversehrt zurückgebracht; rechts unten wird der darauf folgende Kirchenbau im Auftrag des Kindesvaters gezeigt. Unterhalb der Bildfelder befinden sich zwei querrechteckige Felder mit jeweils fünfzeilig schwarz auf weißem Grund aufgemalten Inschriften (links I, rechts II: gestaffelt zentriert), wobei die jeweils letzten Zeilen beider Felder als Sinneinheit zusammen zu lesen sind. Verfälschungen des Schriftcharakters dürfte die laut Inschrift III (in der rechten unteren Ecke) 1853 durchgeführte Restaurierung bedingt haben.

H. (der Schriftfelder) 30 cm, B. (der Schriftfelder) ca. 118 cm (I) bzw. ca. 114 cm (II), Bu. 4–5 cm. – Fraktur.


Textedition
			

I. Durch Gott vnd Marie Hilf solt Jhr verstahn, Die figur vnd diss Gottshaus hat gfangen an, / Jm 1265a) · isten Jahr, Dises Zaichen geschechen Wahr, / Auf Trambs War ein fromme Ehe, Denen gshach Der Zeit Gar Wehe, / Dann sye verlohren beide Khind, Ein Wolf vnd beer habns Tragen hin, / · Annob) 1619 im Manat May ist Diße figur verpesßert · II. Ach Gott Nem(m)et Zu hertzen, Des Obgemelten Hainrichs ßchmertzen, / Gottes Mueter Ruefft erc) an, Dann ßye Khein Mentßchen niehe verlahn, / Die Junckhfrau hat Jhn gewehrt, Vnd Jhr leid in freid VerKhert, / · Und Anno 1690 Widerumb im Manat Mayd) · / Erneuert Worden. III. Und wieder im Jahr 1853 im Monath Juli / vom hiesigen Kunstmaler Jos(eph) Pfeifer erneuert / worden.

Anmerkungen
a) es folgt als Trennzeichen ein Punkt mit einer nach oben gerichteten Zierlinie.
b) vor dem Wort ein von einer offenen Zierlinie umschlossener Punkt.
c) Rueffter indistinkt.
d) am Beginn und Ende der Z. eine Reihe von Punkten und mehreren Zierlinien.

Deutsche Reimverse (I und II).



Kommentar

Das Gemälde thematisiert die Landecker Gründungslegende, der zufolge die Eheleute Heinrich und Eva aus Trams (oberhalb von Angedair, also dem heutigen Zentrum von Landeck) ihre von einem Wolf und einem Bären geraubten Kinder durch ein Marien-Wunder unversehrt zurückbekommen haben sollen. Heinrich soll aus Dankbarkeit 1265 jene Kapelle erbaut haben lassen, an deren Stelle sich heute die Pfarrkirche befindet.

Laut Dehio handelt es sich beim vorliegenden Gemälde um ein Leinwandbild, doch zeigt die an der Unterseite der beiden Inschriftenfelder bereits deutlich vom Holz abblätternde Farbschicht, dass es sich tatsächlich um ein Tafelbild handelt1). Die Inschrift(en) werfen mehrere Fragen zur Datierung auf. Der Auffassung, dass das Tafelbild 1619 entstanden sei, wie Ammann und Dehio angeben2), widerspricht bei wörtlichem Textverständnis die Inschrift, nach der das Bild im Mai 1619 erstmals Verpesßert – also renoviert – worden sein soll.

Lässt sich die Legende also bereits vor 1619 datieren, so deuten doch die Einheitlichkeit und das Gesamtbild der beiden Inschriften darauf hin, dass das Gemälde erst 1690 entstand und somit (im Sinne einer Neuschöpfung der älteren Bildidee umfassend) erneuert wurde. Zu dieser Zeitstellung passen auch kostümgeschichtliche Einordnung und Malstil des Bildes. Allerdings stellt die am Ende von Inschrift I referierte Restaurierung der figur bereits im Jahr 1619 klar, dass eine noch ältere bildliche Fassung der Gründungslegende schon zu jenem Zeitpunkt existiert haben muss. Auch inhaltliche Inkonsistenzen des aktuellen Textes machen klar, dass die 1690 ausgeführte Inschrift einen älteren und offenbar ursprünglich ausführlicheren Text kompiliert: So bezieht sich Zeile 1 von Inschrift II auf den angeblich bereits obgemelten, tatsächlich jedoch erst an dieser Stelle namentlich eingeführten Hainrich. Folgende Hypothese zur Genese das Tafelbildes bietet sich an: Eine wohl schon spätmittelalterliche epigraphische Überlieferung (als Tafelbild oder Wandmalerei?), deren offenbar ausführlicherer Text vielleicht schon die konkrete Datierung des Wunders zum Jahr 1265 enthalten hatte, wurde offensichtlich 1619 unter Verlusten im ursprünglichen Textbestand so tief greifend umgestaltet, dass bei der malerischen Neufassung der Gründungslegende 1690 nur mehr dieser Zeithorizont und verknappte Textbestand greifbar war. Die 1690 angebrachten erklärenden Beischriften dürften sich unmittelbar am Textbestand von 1619 orientieren. Rechts neben der letzten Zeile von Inschrift II befindet sich zudem eine Ergänzung aus dem 19. Jahrhundert, die auf eine erneute Renovierung 1853 verweist (Inschrift III).

1) Als Tafelbild bezeichnete auch Ammann die Gründungslegende; Ammann, Oberland 221. Vgl. Dehio Tirol 457.
2) Ammann, Oberland 221 und Dehio Tirol 457.
Literatur

Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 4, 21f. – Ammann, Oberland 221. – Dehio Tirol 457.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 246,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj246.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol  Politischer Bezirk Landeck  Landeck, Pfk. Mariä Himmelfahrt    •  Tafelbild  •  Beischriften  •  Fraktur  •  Ammann, Gert  •  Eva aus Trams  •  Heinrich aus Trams  •  Pfeifer, Josef  •  Angedair  •  Trams

Abbildungen

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Abb. 159–160:
Tafelbild mit Stiftungslegende
(1619, 1690, 1853), Details
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Romedio Schmitz-Esser)