Inschrift-logo

  Suche         Druck     Hilfe  

 

Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

258 Nauders, Leonhardskapelle bei Burg Naudersberg 1445, 1651/(1623–1632)

Dreifaltigkeitsaltar mit Jahreszahlen und Stifterinschrift, polychromiertes und vergoldetes Holz, als Seitenaltar an der Langhausostwand südlich des Triumphbogens aufgestellt. Der dreigeschossige, einachsige Altar zeigt im hochrechteckigen Mittelfeld vor blauem Hintergrund in der oberen Hälfte die flach reliefierten Figuren einer Marienkrönung durch die Hl. Dreifaltigkeit, die beiden oberen Ecken mit musizierenden Engelschören gefüllt. Unten stehen neun Heilige (von links): Petrus, Oswald, Silvester, Leonhard, zentral Johannes der Täufer, Johannes der Evangelist, Nikolaus, ein unbekannter heiliger Diakon und Paulus. Das Mittelfeld des Altars wird von zwei Rotmarmor vortäuschenden Säulen mit Kompositkapitellen gerahmt. Der Architrav zeigt zwischen mehreren Mariensymbolen (Brunnen und gefasste Quellen, Blumen, Stern, Sonne und Mond) eine in großen Ziffern geschriebene Jahreszahl, unter der deutlich kleiner eine weitere Jahreszahl angebracht wurde (I). Im segmentbogenförmigen Aufsatz die Figur Gott-Vaters als flach reliefiertes Brustbild mit zum Segen erhobener Rechter und blauer Sphaira mit goldenem Kreuz in der Linken. Unmittelbar unterhalb des Mittelfeldes befindet sich zwischen den Postamenten der Säulen eine gemalte, gelbliche Kartusche mit der dreizeiligen schwarzen Stifterinschrift (II). In der Predellazone zwischen den Volutkonsolen der Säulen zeigt der Altar wiederum mehrere gemalte Symbole: zwischen zwei Vasen mit Blumen einen Turm, eine Stiege (Himmelsstiege), eine Stadt (himmlisches Jerusalem), Grundriss (?) einer Stadt, ein Tor (Himmelspforte) und einen Turm. In der Sockelzone bildet eine Darstellung des Vera Ikon den unteren Abschluss des Altares.

H. 261 cm (gesamt) bzw. 8 cm (Schriftfeld von Is. II), B. 107,5 cm (gesamt) bzw. 66 cm (Schriftfeld von Is. II), Bu. 5 cm (I; Z. 1), 1 cm (I; Z. 2), 1,5 cm (II). – Fraktur.


Textedition
			

I. 1//4//4//5 / 1//6//5//1a) II. Der Heiligisten Dreifaltikhait Zu Lob, vnd Eher Maria͜ e der/ Himelkhünigin vnd Allen Heiligen Gottes hat die Bildtnüszen in / den anforigen einfang machen Lassen Johan Catrein Magister vnd Pfarer

Anmerkungen
a) Ziffern der Jz. jeweils von gemalten Symbolen (s. Beschreibung oben) getrennt.

Kommentar

Das Hauptbild des Altares geht nach Andergassen auf die Zeit um 1595/1600 zurück1), eine Datierung, die wohl jedenfalls für den gesamten Altaraufbau zutreffen dürfte. Laut Is. II wurde das reliefierte Mittelbild des Altars jedoch unter dem Nauderer Pfarrer Johann Catrein (1623–1632) für den älteren Altaraufbau adaptiert. Dass die wohl älteren Reliefs (deren Datierung ist jedoch durch die sehr grobe Schnitzarbeit und die jüngeren Neufassungen schwer zu ermitteln) für den gegenständlichen Altar beschnitten wurden, zeigt deutlich das notdürftig schmäler gehobelte Brett mit der zentralen Figur des Hl. Johannes des Täufers. Die auf dem Architrav aufgemalten Jahreszahlen sind nach ihren Ziffernformen jeweils frühestens im späten 18., wahrscheinlicher im 19. Jahrhundert aufgemalt worden. Auf welche Daten sie sich beziehen, ist unklar, doch scheinen am Altar weder zu 1445 noch zu 1651 zu datierende Teile verwendet. Sicher zu datieren ist damit lediglich die Inschrift Catreins, die auch nach inschriftenpaläographischen Kriterien in den Zeithorizont von dessen Amtszeit einzuordnen ist.

Catrein machte sich als Gegenreformator einen Ruf; sein reliquienartig aufbewahrter Schädel wurde angeblich noch im 19. Jahrhundert in der Totenkapelle von Nauders gezeigt2). Auffällig ist die Himmelsthematik, die den ganzen Altar überzieht: In der Sockelzone die Symbole des Himmels und des Zugangs zu den himmlischen Orten, im Architrav oberhalb des Mittelfeldes die Aufnahme dieses Themas mit Blumen, Sternen, Sonne und Mond, blau als Hintergrundfarbe, sowie Gott-Vater mit der Sphaira (dem Kosmos) in der Hand als oberster Abschluss des Altares.

1) Andergassen, Renaissancealtäre (2007) 411.
2) Andergassen, Renaissancealtäre (2007) 412.
Literatur

Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 5, 193. – Ammann, Oberland 258. – Dehio Tirol 553. – Andergassen, Renaissancealtäre (2007) 411f.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 258,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj258.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol  Politischer Bezirk Landeck  Nauders, Leonhardskapelle bei Burg Naudersberg    •  Dreifaltigkeitsaltar  •  Jahreszahlen  •  Stifterinschrift  •  vergoldetes Holz  •  Fraktur  •  Andergassen, Leo  •  Catrein, Johann  •  Nauders, Totenkapelle