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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

259 Prutz, Pfk. Mariä Himmelfahrt 1637

Apostelcredo, Wandmalerei, im Langhaus der Prutzer Pfarrkirche. Von den ursprünglich zwölf Aposteldarstellungen, die jeweils zu beiden Seiten der Fenster der Langhausjoche gemalt waren, sind nur mehr sechs erhalten. Sie zeigen jeweils eine Standfigur in einer perspektivisch aufgeklappten, im Scheitel mit einem Abschnitt des Credo beschrifteten Rundbogennische, an der Nischenunterseite befinden sich mitunter weitere Inschriften. Erhaltene Figuren: An der nördlichen Langhauswand rechts neben der Kanzel der Apostel Andreas in rot-blauem Gewand, mit beiden Armen das Kreuz umfassend; im Bogen über seiner Figur einzeilig schwarz aufgemalte Inschrift (I), teilweise durch Putzausbruch gestört. Die restlichen fünf erhaltenen Apostelbilder an der südlichen Langhauswand. Dem Apostel Andreas gegenüber im östlichsten Joch rechts des Fensters der Apostel Bartholomäus in weiß-blauem Gewand, in der Rechten ein Messer, mit der Linken seinen Mantel raffend, unter dem die geschundene Haut sichtbar wird (II). Im nach Westen anschließenden Joch links neben dem Seiteneingang der Apostel Simon in rot-grünem Gewand, mit der Rechten ein Buch an die Hüfte klemmend, in der Linken eine große Säge; die Inschrift im Bogen fast völlig verloren (III), auf der Standfläche der Figur zweizeilig schwarz aufgemalte Stifternamen (? IV), an der Nischenunterseite einzeiliger Titulus (V), von Wappenschild unterbrochen; rechts des Seiteneingangs der Apostel Thomas mit Credo-Abschnitt im Bogen (VI) und mittig an der Nischenunterseite aufgemalter Jahreszahl (VII). Im westlichen Joch vor der Empore links des Fensters der Apostel Judas Thaddäus in braun-rot-blauem Gewand, mit der Linken auf eine mächtige Keule aufgestützt, im Bogen der Credotext (VIII), zwischen den Beinen die Jahreszahl (IX). An der Nischenunterseite links und rechts je ein Wappenschild (das Bild des linken verloren), jeweils darüber ein (Stifter-?) Monogramm (X links und XI rechts); rechts des Fensters der Apostel Matthäus in grün-weißem Gewand mit Buch in der Rechten, das Beil in der Linken, am Bogen die Inschrift (XII). Die Fresken, wohl spätestens gegen Ende des 18. Jahrhunderts übermalt, wurden im Zuge von Renovierungsarbeiten 1975 aufgedeckt, die zahllosen dicht gesetzten Aufspitzungsspuren wurden mit heller getönten Putzplomben verschlossen. Die durchwegs kräftige, warme Farbigkeit der in fast allen Malschichten gut erhaltenen Malereien ist voll bewahrt geblieben, die sorgfältig durchgeführten Restaurierungsmaßnahmen haben offenbar zu keinen verfälschenden Beeinträchtigungen des originalen Charakters von bildlichen Darstellungen und Inschriften geführt.

Bu. ca. 6–7 cm (I–III, VI, VIII und XII), ca. 2,5–5 cm (IV, V, VII und IX-XI). – Kapitalis.


Textedition
			

I. ET IN IESV[M CHRIST]V(M) FILIV(M) EIVS VNICV(M) DOMI[NV(M) N(OST)RVMa)] II. · CREDO IN SPIRITVM SANCTVM · III. [·] S[ANCTAMb) ECCLESIAM CATHOLICAM ·] IV. ...]NTZc) STOCKHERd) / [...] ZANGERLIN . V. SIM//ONe) VI. SA(N)CTORVM COM(M)VNIONE [R]E(M)ISSIONE(M) [PEC(C)A]TOR(VM) VII. 1637 VIII. CARNIS RESVRECTIONE(M) IX. 1637 X. MZ XI. MH XII. ET VITAM A͜ETERNA(M) AM[EN]

Anmerkungen
a) Kürzungen nach dem vorhandenen Schriftraum erschlossen.
b) zwar ist vor dem noch gut sichtbaren S am Beginn des Schriftraums ein Freiraum von etwa vier Zeichen erkennbar, doch liegt der Buchstabe für das S in ECCLESIAM wiederum zu dicht am Beginn der Is.; es bietet sich deshalb eine Auflösung analog zu Is. II mit je einem Trennzeichen am Anfang und am Ende der Zeile an.
c) erg. wohl [FRA]NTZ, weniger wahrscheinlich [LORE]NTZ oder [VINZE]NTZ.
d) Anfangsbuchstabe vergrößert.
e) unterbrochen von Wappenschild.

Und an Jesus Christus, seinen einzigen Sohn, unseren Herrn (I).
Ich glaube an den Heiligen Geist (II).
Die heilige katholische Kirche (III).
Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden (VI).
Auferstehung des Fleisches (VIII).
Und das ewige Leben, Amen (XII).

Credo (I–III, VI, VIII, XII).


Wappen: Stocker (?)1), unbekannt2).


Kommentar

Die heute noch erhaltenen Malereireste lassen auf das einstige Gesamtkonzept schließen: Jeder Apostelfigur war ein Abschnitt des Glaubensbekenntnisses in dem über ihm gemalten Rundbogen zugeordnet; an der Nischenunterseite befand sich der jeweilige Titulus, wie er sich noch beim Apostel Simon (V) erhalten hat. Die Abfolge der Darstellungen lässt darauf schließen, dass der Zyklus an der Westseite der Nordwand begann und sich bis zum Triumphbogen zog, um dort an die Südwand zu wechseln. Entlang der Südwand folgen die Inschriften der Leserichtung von Ost nach West; an der Westseite der Südwand findet sich folgerichtig der Apostel Matthäus mit dem letzten Satz des Glaubensbekenntnisses (XII).

Die Kombination der Apostelfiguren mit dem Credo geht auf die spätantike Legende zurück, nach der der Text des Credo bei der Aussendung der Apostel entstanden sei3). Die Zusammenstellung der Apostel mit dem Glaubensbekenntnis stellt im späten Mittelalter zwar durchaus kein außergewöhnliches epigraphisch-ikonographisches Konzept dar (vgl. im Bearbeitungsgebiet Kat.-Nr. 1254); bemerkenswert ist jedoch dessen späte Umsetzung in Prutz mit ihrer außergewöhnlichen Qualität der spätmanieristisch-frühbarocken Malereien, unter denen die kompliziert in sich verschraubte Figur des Hl. Andreas mit dramatisch gebauschtem Gewand hervorzuheben ist. Die Figuren mögen zwar auf druckgraphische Vorlagen rekurrieren, doch sind plastische Durchführung der Figuren und Gewänder und die dramatische Wirkung der farbigen Gewänder vor den tiefdunklen Nischen Ausweis großer malerischer Fähigkeiten, denen auch die Sorgfalt der Ausführung der Inschriften in gut proportionierter Kapitalis entspricht. Die Malereien dürften entsprechend ihrer mehrfachen Datierung (VII und IX) 1637 entstanden sein.

Offenbar wurde in Prutz ähnlich wie schon früher in Obsaurs (Kat.-Nrr. 213 und 241) die malerische Ausstattung der Kirche nach einem einheitlichen Gesamtkonzept durchgeführt, wobei verschiedene Stifter – vielleicht erst nachträglich – die Kosten für einzelne Figuren übernahmen und ihre Namen und Wappen ins Bild setzen lassen konnten. Während die Monogramme MZ und MH (X und XI) nicht auflösbar sind, traten als Stifter der Simon-Figur offenbar Franz (?) Stocker und seine Frau (?), mutmaßlich eine Verwandte des Inhabers des Kappler „Tonesn“-Hauses, Jakob Zangerl (vgl. Kat.-Nr. 250), auf (IV). Resch erwähnt das Apostelcredo in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht mehr, was auf dessen vorherige Übermalung hindeuten könnte5); dementsprechend scheint die Annahme einer Übermalung im Zuge einer Barockisierung der Kirche im späten 17. oder frühen 18. Jahrhundert6) nahe liegend.

1) Beschädigt; erkennbar nur noch ein querrechteckiger Gegenstand.
2) In Gold ein nicht näher erkennbares steigendes schwarzes Tier.
3) Van Os, Credo 462; Myslivec, Apostel 162; Engemann, Apostel 788f. und Mras, Inschriften 100.
4) Vgl. an weiteren österreichischen Beispielen aus dem späten Mittelalter etwa DI 48, Kat. Nrr. 138–148, oder DI 72, Kat.-Nr. 83.
5) Resch, Monumenta 97. Da sich Resch allerdings generell nur wenig für die Inschriften in Wandgemälden interessierte, handelt es sich um keinen sicheren Beweis, dass die Wandmalereien zu diesem Zeitpunkt bereits übermalt waren.
6) Dehio Tirol 620.
Literatur

Ammann, Oberland 290. – Dehio Tirol 621. – Klien, Kunstschätze 119.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 259,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj259.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 165–166: Wandmalerei
Apostelcredo (1637), Details

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Abb. 167: Detail

©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Werner Köfler)