In den letzten beiden Jahrzehnten erlebte die Keltenforschung einen enormen Aufschwung. Zahlreiche große Ausstellungen dokumentieren das breite Interesse der Öffentlichkeit. Seit der 1980 in Hallein (Salzburg) organisierten Landesausstellung „Die Kelten in Mitteleuropa“ fanden in zunehmend immer kürzeren Abständen Großausstellungen statt; dabei standen jeweils die Kelten, Celts, Celti, Galli oder Keltoi im Mittelpunkt. Hand in Hand dazu wurden in einem vielleicht noch schnelleren Schlagtakt Bücher zu und über die Kelten geschrieben und herausgegeben. Es gibt sie in allen Formaten, schwarz/weiß oder farbig illustriert, als Hartcover oder Studienausgabe, repräsentativ oder als Taschenbuch. Celtic ist in, schrieb vor einigen Jahren ein bekannter Modemacher. Längst ist keltisch nicht nur ein Thema der Historiker, Archäologen, Sprachforscher, sondern drückt einen Zeitgeist aus, eine Mode – das Label Celtic findet sich in der Musik ebenso wie bei Tatoos. Für die Iren wie für Wales stärkt es bzw. begründet es ihre spezifische Identität. Speziell in Mittel- und Westeuropa wird es im Bereich Tourismus und Fremdenverkehr eingesetzt; meist mit Adjektiven verbunden, wie geheimnisvoll, dunkel. „Die Nebel von Avalon“, wie ein weit verbreiteter Bestseller lautet, klingen fast immer mit. Von all diesen Bewegungen, Bestrebungen und Bildern, die in einer weit in das 19. Jahrhundert zurückreichenden Tradition wurzeln, distanzieren sich die Autoren vorliegenden Werkes deutlich. Das „Lexikon der keltischen Archäologie“ stellt sich geradezu diametral dagegen. Es geht hierbei nicht um Biographien mythischer Herrscher oder Völkerschaften, auch nicht um spätere Sagen-, Märchen und Anderswelten, sondern um die real fassbaren materiellen Überreste eines erstmals 1885 von Otto Tischler nach dem Schweizer Fundort La Tène bezeichneten mittel- und westeuropäischen Kulturkomplexes. Es kann und soll hier nicht die Keltizität der La Tène-Kultur diskutiert werden. Die Kelten, die bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. in griechischen Quellen neben den Persern und Skythen zu den bedeutendsten barbarischen Völkern gezählt worden sind, haben sich wohl selbst als solche bezeichnet. Als Zeitzeuge steht uns kein geringerer als Caesar selber zur Verfügung: Er berichtet im Anfangskapitel (b.G. 1,1,1), dass die von uns Galli bezeichneten Völker sich in ihrer eigenen Landessprache als Celtae bezeichnen: „qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appelantur“. Auch in den frühesten Quellen des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. treten die Kelten nicht als Einzelstämme auf, sondern in der Regel unter dem Namen Keltoi.
Ziel dieses Schriftwerkes ist es einen Überblick über die materiellen Hinterlassenschaften der La Tène-Kultur zu geben, welche wohl – Communis opinio – in weiten Bereichen der keltischen Archäologie zugerechnet werden kann. Im Gegensatz zu den zahlreichen keltischen Gesamtdarstellungen soll in diesemWerk das Hauptaugenmerk auf die tatsächlich vorhandenen Objekte und Überreste gelenkt werden. Dass eine derartige Zusammenstellung natürlich nur einen Überblick über die wichtigsten Fundstellen, Fund- und Befundgattungen bieten kann, ist selbstverständlich. Hinzu kommt die Erläuterung von Begriffen und Techniken, die in engem Zusammenhang mit der keltischen Archäologie stehen. Eine Vollständigkeit oder Vollzähligkeit wurde in keinster Weise angestrebt. Die Auswahl ist naturgemäß subjektiv. Durch die Zusammenführung eines allerdings großen Forschungsteams – rund zwanzig Kolleginnen und Kollegen übernahmen die Koordination der mehr als 300 Einzelautoren – wurde von Anfang an versucht, diese Subjektivität möglichst gering zu halten. Den Kern dieses Koordinationsteams bildeten die beiden wissenschaftlichen Gremien des Centre archéologique européen Bibracte sowie die Mitglieder der Arbeitsgruppe Eisenzeit in der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die Auswahl der Lemmata erfolgte im Rahmen dreier Arbeitstreffen in Bibracte, in Graz und in Wien – Kriterien, wie eine ausgewogene regionale Verteilung und Berücksichtigung des geplanten Gesamtumfangs (zwei Bände), wurden dabei ebenso berücksichtigt, wie auch thematische Vielfalt. Natürlich musste im Laufe der Arbeiten in direkter Absprache mit den jeweilig zuständigen Koordinatoren so manche Änderung im Umfang und Autorenschaft vorgenommen werden. Frau Mag. Dr. Anna Preinfalk, welche in den ersten Jahren die zentrale Anlaufstelle für all diese Aufgaben war, ist dabei ganz besonderer Dank zu sagen. Doz. Dr. Peter Ramsl schloss letztendlich diese Arbeiten erfolgreich ab. Die technische Umsetzung verdanken wir Herrn Hannes Lenhardt (Druckerei Berger). Dem langjährigen Sekretär bzw. Generalsekretär der ÖAW, Herrn Univ. Prof. Dr.h.c.Dr. Herwig Friesinger, ist für sein stetes Interesse am Fortschritt dieses Publikationsprojektes zu danken. Sein bis zuletzt gezeigter Einsatz und seine Unterstützung haben erst den erfolgreichen Abschluss dieses mehrjährigen Projektes ermöglicht. Erinnert werden soll auch an die Tagung der Arbeitsgruppe Eisenzeit des Deutschen Verbandes für Altertumswissenschaften in Liblice (Böhmen), wo erstmals Otto H. Urban und Stephan Fichtl mit Susanne Sievers und Vincent Guichard die Ideen dieses Gemeinschaftsprojektes erörterten. Die Möglichkeit einer französischen Übersetzung, einer Internetplattform sowie die äußeren Rahmenbedingungen – räumlich die Konzentrierung auf den europäischen Kontinent (das heißt die weitgehende Ausklammerung der Britischen Inseln und Kleinasiens) und zeitlich auf die jüngere Eisenzeit – wurden dabei ebenso festgelegt, wie die Möglichkeit, bestehende Strukturen und Netzwerke zur Realisierung zu nutzen. Es sollten dabei keine neuen Gremien gebildet werden, und es wurde vorausgesetzt, dass die Autoren, Koordinatoren wie Herausgeber ihre Arbeiten ehrenamtlich zur Verfügung stellen. So möchten wir neben den Verantwortlichen des Akademieverlages (V. Muth, G. Reisenbauer, R. Püringer) wie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften vor allem allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihr Engagement und ihre Beiträge herzlich danken. Neben den Mitgliedern des Koordinationsteams sollen besonders noch Katharina Becker (Dublin/ Durham), Roberto Tarpini (Campogalliano) und Maciej Karwowski (Krakow/Wien) erwähnt werden.
Zuletzt noch eine Bitte um Verständnis: „Ein enzyklopädisches Werk ist niemals abgeschlossen, niemals beendet, es wächst und verändert sich mit jedem Tag“ schrieb vor mehr als 40 Jahren Ian Filip im Vorwort seines „Enzyklopädischen Handbuchs“, dies gilt natürlich heute mehr denn je. „In Anbetracht der Vielfältigkeit des Stoffes waren gewisse Unvollkommenheiten unvermeidbar“, setzt Filip fort, durch die große Vielzahl der Autoren, der Übersetzungen und letztendlich des jeweils unterschiedlichen Forschungsstandes.
„Wer die Vergangenheit nicht ehrt verliert die Zukunft, wer seine Wurzeln vernichtet kann nicht wachsen.“ (Friedensreich Hundertwasser)
Susanne Sievers – Otto H. Urban – Peter C. Ramsl