RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 18. 11.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy 18. 11., Degenfeld 18. 11., Schmerling, Lasser 19. 11., Plener 20. 11. (bei V und VI abw.), Wickenburg 21. 11., Lichtenfels, Forgách, Esterházy; außerdem anw. Holzgethan; abw. Pratobevera; BdR. Erzherzog Rainer 28. 11.
Der Finanzminister referierte in Kürze über die Frage wegen Aufhebung der Durchfuhrzölle durch Dalmatien, welche Aufhebung er bei Sr. Majestät beantragt hat, um dieselbe im Fall der Ah. Genehmigung bei dem Reichsrate zur Verhandlung zu bringen.
Staatsrat Ritter v. Holzgethan motivierte hierauf das im staatsrätlichen Beratungsprotokolle niedergelegte Gutachten des Staatsrates, welcher nicht bloß für die Aufhebung stimmt, sondern glaubt, daß diese Maßregel bei der vorhandenen Dringlichkeit im Interesse Dalmatiens von der k. k. Regierung mit Anwendung des § 13 des Staatsgrundgesetzes sogleich und ohne reichsrätliche Vorverhandlung verfügt werden dürfte. Der ungarische Hofkanzler teilte vollkommen diese Meinung, nachdem ihm aus seinen eigenen Wahrnehmungen bekannt ist, daß der Wunsch, die Transitzölle aufgehoben zu sehen, im Lande schon sehr lang und lebhaft gehegt wird. Die Verantwortung für diese provisorische Maßregel dürfte der Finanzminister leicht übernehmen können. Die Minister des Äußern und des Krieges glaubten die zum Beweis der Dringlichkeit geltend gemachte Besorgnis der baldigen Eröffnung eines neuen Handelswegs aus der Türkei zum Meer auf der Landzunge Klek nicht als gegründet ansehen zu sollen, da die Türkei traktatmäßig verpflichtet ist, auf den beiden Landzungen keine Straße zu führen, und der dermalige Durchzug von Militärgütern nur ausnahmsweise, precario modo, gestattet wird. Hierauf wurde vom Handelsminister entgegnet, daß eine Militärstraße wohl auch unter mancherlei Vorwänden zu einer Kommerzialstraße mißbraucht werden kann, zumal es englischerseits nicht an Velleitäten dazu fehlen dürfte.
Der Finanzminister äußerte, daß man bei Anwendung des § 13 nicht einseitig vorgehen könne, sondern alle Verhältnisse und Konsequenzen jedes Schrittes dieser Art wohl überlegen müsse. Das Ministerium werde noch von manchen anderen Seiten angegangen, Provisorien nach § 13 zu treffen, z. B. bezüglich der Weinsteuer. v. Plener habe sich bisher gegen diese Zumutungen gewehrt, er würde es aber dann kaum mehr können, wenn in Fällen von nicht augenfälliger Dringlichkeit (wie der vorliegende) vom § 13 Gebrauch gemacht würde. Unter diesen Umständen müsse der Finanzminister bei seinem au. Antrage stehen bleiben, daß der fragliche Gegenstand mit Ah. Genehmigung zu einer Vorlage an den gesamten Reichsrat gemacht werde. Der Staatsminister und Graf Nádasdy traten der Meinung des Finanzministers bei, und zwar der letztere mit dem Bemerken, er habe keine Aussicht, daß vor dem Monate März ein zur Verständigung geneigter siebenbürgischer Landtag zusammengebracht werden könne, weil noch große Änderungen in den Spitzen der Komitate etc. vorausgehen müssen, . Im gleichen Sinne äußerten sich die Minister Graf Wickenburg, Ritter v. Lasser und Graf Esterházy; es stimmte daher die Majorität mit dem Finanzminister, wobei jedoch nach dem Antrage des Handelsministers beschlossen wurde, den dalmatinischen Abgeordneten im Reichsrate zu ihrer Beruhigung mitzuteilen, daß die Regierung eine Vorlage wegen Aufhebung der Durchfuhrzölle zu machen beabsichtige.
Einfügung a–a Ransonnets.
Einfügung b–b Ransonnets.
Siehe dazu bereits MR. I v. 5. 9. 1861/II. Anm. 5,
Dazu
Der siebenbürgische Landtag kam erst 1863 zustande, und erst nach dem Einzug der siebenbürgischen Abgeordneten wurde der Reichsrat zum Gesamtreichsrat erklärt.
Dennoch legte Plener den Gesetzentwurf dem engeren Reichsrat vor, der ihn auch beschloß; im Eingang des Gesetzes wurde der § 13 des Februarpatents berufen; vgl. dazu die Diskussion über § 13 anläßlich der Vorlage des Budgets für 1862, MR. v. 12. und 13. 12. 1861/I (= Sammelprotokoll Nr. 168).
Der Finanzminister brachte in Antrag, daß den Mitgliedern beider Häuser im Wege der Präsidien Exemplare des Staatsvoranschlages für 1862 zur vorläufigen Information mitgeteilt würden, doch wurde die Beratung hierüber nach dem Wunsche des Staatsministers vertagt, da derselbe soeben mit der Erörterung dieses Gegenstandes beschäftigt ist und damit vorerst zu Ende zu kommen wünscht.
Zum Staatsvoranschlag 1862 siehe MR. v. 17. 11. 1861/II und vor allem MR. v. 6. 12. 1861/III.
Der Staatsminister referierte, er habe die drei Gesetzentwürfe des Ausschusses des Abgeordnetenhauses: a) zum Schutz der persönlichen Freiheit, b) zum Schutz des Hausrechts und c) zum Schutz des Brief- und Schriftengeheimnisses im Vernehmen mit den Ministern Baron Mecséry und Ritter v. Lasser, dann dem Sektionschef Rizy geprüft und es seien hiebei einige Modifikationen vereinbart worden, welche heute der Genehmigung des Ministerrates unterzogen werden wollen, um sich hiernach bei den demnächst stattfindenden parlamentarischen Verhandlungen benehmen zu können.
a) Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit.
§ 1. Hier wären die Worte „gegen Übergriffe der öffentlichen Gewalt“ als verletzend für die Regierung zu streichen. Im § 2 wäre einzuschalten, daß die Bekanntmachung des Verhaftungsbefehls an den Beteiligten auch protocollariter geschehen könne. Gegen diese Modifikationen sowie gegen den Inhalt des § 3 ergab sich keine Erinnerung.
Zum § 4 bemerkte der Polizeiminister, daß die Verweigerung von Legitimationskarten an Verdächtige nicht zu der [in] § 4 verbotenen Internierung gerechnet werden könne. Der Minister des Äußern würde es sehr lebhaft bedauern, wenn die Regierung des so nützlichen Koerzitivmittels der Internierung beraubt werden sollte, und man hätte allen Grund, im Abgeordnetenhause offen zu erklären, daß man unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Internierung nicht entbehren kann. Der Staatsminister entgegnete, daß nicht die geringste Aussicht vorhanden sei, das Internierungsrecht im Abgeordnetenhause ausdrücklich zu vindizieren; indessen werde der Passus „ohne rechtliche Verpflichtung“ der Regierung in vielen Fällen den Anhaltspunkt zu der fraglichen Maßregel gewähren. Der Staatsratspräsident war derselben Meinung und bemerkte, es sei ihm nicht bekannt, daß die Internierung in irgendeiner ausländischen Gesetzgebung als zulässig erklärt wurde. Der Kriegsminister verwahrte sich gegen jede Ausdehnung des § 4 auf das Militär und würde am liebsten die diesfällige Ausnahme — welche der Staatsminister als selbstverständlich betrachtete — explizit ausgesprochen sehen. Die übrigen Stimmführer fanden gegen § 4 nichts zu erinnern.
Der § 5 erhielt eine etwas veränderte Textierung, wogegen keine Erinnerung erhoben wurde, zumal die darin enthaltenen Strafbestimmungen mit jenen des Strafgesetzes übereinstimmen.
Der § 6 des Entwurfs gestattet die Entlassung aus der Untersuchungshaft gegen Kautionsleistung mit einziger Ausnahme der Fälle, wo dringende Anzeichen eines mit mehr als fünfjährigem Kerker verpönten Verbrechens vorhanden sind. Nach dem Antrage der oberwähnten drei Minister wären jedoch hier noch zwei weitere Ausnahmen zu statuieren, welche auf dem bestehenden Strafgesetze fußen, nämlich 1. die Fälle, welche großes Ärgernis gegeben, und 2. wenn eine die Untersuchung vereitelnde Kollusion zu besorgen ist. Der Ministerrat war hiemit einverstanden, nur Freiherr v. Lichtenfels bemerkte, daß das fragliche Kautionssystem eigentlich eine unbillige Begünstigung der reichen gegenüber den armen Inquisiten begründe. Da jedoch alle neueren Gesetzgebungen dieses System angenommen haben, so dürfte gegen dessen gesetzliche Einführung bei uns, mit den nötigen Restriktionen, nichts zu erinnern sein. Auf die Frage des Finanzministers, ob die Entlassung gegen Kaution auch auf die Gefällsübertretungsinquisiten ihre Anwendung finden werde, erwiderten der Staatsratspräsident und der Staatsminister, daß dieses als eine unvermeidliche Konsequenz erscheine, worauf der Finanzminister äußerte, daß er — wenn nur die Fälle des frevelhaften Schleichhandels ausgeschlossen werden — im wesentlichen dagegen nichts zu erinnern finde, jedoch um Mitteilung des amendierten Entwurfs bitten müsse, um sich für die Debatte im Abgeordnetenhause am 16. d. M. vorbereiten zu können.
Dem Originalprotokoll liegen die Ausschußberichte mit den Gesetzanträgen im Druck bei.
Diese Gesetze bildeten einen Teil der von den Liberalen, insbesondere vom Abgeordneten Dr. Eugen v. Mühlfeld ausgehenden Initiative, eine gesetzliche Verankerung der Grundrechte herbeizuführen. Mühlfeld hatte am 1. 6. 1861 folgenden Antrag eingebracht und ihn am 11. 6. 1861 in einer wichtigen Rede begründet,
Dieses Gesetz wurde im Plenum des Abgeordnetenhauses ab dem 20. 11. 1861 behandelt; da das Herrenhaus Änderungen wünschte, ging der Entwurf zweimal zwischen den Häusern hin und her, und erst am 17. 7. 1862 wurde das Gesetz endgültig beschlossen, vgl.
Der § 1
Nach der Strafprozeßordnung konnte der Verhaftungsbefehl auch in das Protokoll aufgenommen und dem zu Verhaftenden nur mündlich eröffnet werden, während er nach § 2 des Gesetzentwurfs immer schriftlich auszufertigen war; die von Schmerling erwähnte Einschaltung unterblieb jedoch. § 3 des Entwurfs beschränkte die Verwahrungsfrist auf 48 Stunden.
§ 4, Abs. 1, lautete:
b) Gesetz zum Schutze des Hausrechtes.
Nach dem Antrage der Minister Baron Mecséry, Ritter v. Schmerling und Ritter v. Lasser werden im § 1 die Worte „gegen Übergriffe der öffentlichen Gewalt“ wegzulassen sein. Zum § 2 erklärte der Kriegsminister, er müsse sich dagegen verwahren, daß Militärvorgesetzte behindert würden, in Privatwohnungen bei ihren Subordinierten Durchsuchungen zu pflegen. Der Staatsminister und der ungarische Hofkanzler fanden dies bei der exzeptionellen Stellung des k. k. Militärs selbstverständlich. Der Finanzminister fand es unentbehrlich, daß ein eigener Vorbehalt wegen Zulässigkeit der Hausdurchsuchungen in Finanzangelegenheiten aufgenommen werde, allenfalls: „Die durch die bestehenden Zoll- und Finanzgesetze wegen des Durchsuchungsrechts festgesetzten Bestimmungen bleiben unverändert.“ Der Minister des Äußern erinnerte, daß augenblickliche Hausdurchsuchungen zur Konstatierung von Felddiebstählen oft unerläßlich nötig werden. Im übrigen ergab sich gegen diesen Gesetzesentwur fkeine Erinnerung.
Dieses Gesetz wurde im Plenum des Abgeordnetenhauses ab dem 27. 11. 1861 behandelt; es wurde vom Herrenhaus geringfügig verändert und vom Abgeordnetenhaus so angenommen, und zwar am 17. 7. 1862, gleichzeitig mit dem Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit, vgl.
Auch hier wurde der § 1 des Entwurfs
Hausdurchsuchung nur auf einen mit Gründen versehenen richterlichen Befehl.
c) Gesetz zum Schutz des Brief- und Schriftengeheimnisses.
Der Kriegsminister verwahrte sich gegen die Anwendung dieses Gesetzes auf das Militär, worauf der Staatsminister erwiderte, es unterliege die Eröffnung der Briefe an die Mannschaft im Disziplinarwege durch den Hauptmann fortan keinem Anstand; dagegen aber würde deren Eröffnung durch den Postbeamten nach den vorliegenden Bestimmungen nicht mehr Platz greifen können.
Der Minister des Äußern bemerkte, daß die Regierung im Fall der Ah. Sanktion des vorliegenden Gesetzentwurfes eines sehr nützlichen politischen und polizeilichen Überwachungsmittels beraubt würde, dessen beinahe alle anderen Regierungen in Europa sich notgedrungen bedienen. Die Postanstalt werde fortan ungescheut zur Unterhaltung der für die Sicherheit des Staates, der Privaten und des Eigentums gefährlichsten Verbindungen mißbraucht werden können, und wollte die Regierung selbst gegen das Gesetz handeln, so würden sich künftig kaum Beamte dazu herbeilassen. Fände man aber doch welche, so läge es ganz in deren Hand, die Regierung äußerst zu kompromittieren. Graf Rechberg hält es für unmöglich, in Ungarn und Galizien bei Wahrung des Briefgeheimnisses den regierungsfeindlichen Verbindungen die Spitze zu bieten. Mag daher auch das Abgeordnetenhaus für dieses Gesetz gestimmt sein, die Regierung dürfe sich nicht aus Schwäche gegen eine Majorität verhindern lassen, demselben entgegenzutreten; hat doch Lord Palmerston im Parlament unumwunden erklärt, daß die englische Regierung Briefe auf der Post eröffnen lasse! Man sollte daher auch bei uns die Sache offen gestehen und motivieren. Der Kriegsminister teilte diese Meinung. Der Staatsminister besorgte, daß der vorliegende Gesetzentwurf dessenungeachtet in beiden Häusern würde angenommen werden. Indessen sei dadurch die Regierung noch nicht gänzlich und für immer in die Unmöglichkeit versetzt, die Briefe zu lustrieren: hat ja doch selbst der Ausschuß des Abgeordnetenhauses am Schlusse seines Berichtes auf ausnahmsweise Maßnahmen dieser Art nach § 13 hingedeutet! Bei dringendem Verdacht könne auch außerdem, infolge richterlichen Befehls, die Beschlagnahme und Eröffnung von Briefen geschehen. Der Handelsminister glaubte, daß Ausnahmen für den Fall von Krieg, Aufstand und Verschwörungen schon im Gesetze selbst statuiert werden sollten.
Der ungarische Hofkanzler entgegnete auf den von anderer Seite gemachten Anwurf, die Logen könnten auch nach Erlassung des Gesetzes noch eine gewisse Tätigkeit, ganz im geheimen, ausüben, er könne nicht glauben, daß Se. Majestät der Kaiser das fragliche Gesetz mit einem solchen Hintergedanken würden sanktionieren wollen, und Graf Forgách beantrage daher, daß das Ministerium bei der Debatte diesen Gesetzentwurf sich nicht aneigne, sondern vielmehr dergestalt bekämpfe, daß die Ah. Nichtsanktion vorbereitet werde. Der Staatsminister, mit dem sich die Minister Baron Mecséry und Graf Esterházy (welcher sich in principio unbedingt den durch Grafen Rechberg entwickelten Ansichten angeschlossen hatte) vereinigten, erwiderte, das Ministerium könne füglich in dieser Sache bei der Debatte selbst nicht mehr tun, als die Vorlage nicht zu der seinigen machen, durch dritte Personen aber, aus den Reihen der Abgeordneten, die Amendierung oder Verwerfung desselben zu versuchen. Der Staatsminister werde in dieser Richtung tätig sein.
Randvermerk Ransonnets:
Einfügung e–e Ransonnets.
Einfügung f–f Esterházys.
Die Behandlung dieses Gesetzes im Plenum des Abgeordnetenhauses begann am 18. 11. 1861; das Herren- und das Abgeordnetenhaus konnten sich über dieses Gesetz nicht einigen; bis zum Ende der Session im Dezember 1862 ging der Entwurf mehrmals hin und her,
Fortsetzung MR. v. 14. 11. 1861/II und MR. v. 6. 12. 1861/IV.
Der Handelsminister besprach die gegen ihn vor kurzem im Abgeordnetenhause erhobenen Interpellationen, und zwar a) jene des Abgeordneten Girardelli wegen der Okkupation des Lazaretthafens zu Triest durch k. k. Kriegsschiffe und b) die des Abgeordneten Brosche wegen reziproker Behandlung der in Bodenbach von sächsischen Handelshäusern zu etablierenden Filialspeditionsgeschäfte. Graf Wickenburg wird ad a) die Beantwortung noch vorbehalten, um sich zu diesem Behufe genaue Informationen zu verschaffen, und ad b) die Beantwortung nach Einsicht in die hiebei einschlägigen Traktate vornehmen.
Korrektur g–g Wickenburgs aus
Korrektur h–h Wickenburgs aus
Beide Interpellationen
Siehe dazu MR. I v. 23. 11. 1861/I, Anm. 1; die Interpellation blieb unbeantwortet.
Siehe
Wien, 15. November 1861. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 27. November 1861.
Empfangen 28. November 1861. Erzherzog Rainer.