RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 13. 12.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Lasser, Wickenburg, Lichtenfels, Esterházy, FML. Schmerling, Hock; abw. Degenfeld, Schmerling, Plener, Pratobevera, Forgách; BdR. Erzherzog Rainer 22. 12.
Staatsrat Freiherr v. Geringer referierte über den Vortrag des Handelsministers vom 30. Oktober 1861 um Ah. Ermächtigung, Modifikationen der mit der Ah. Entschließung vom 27. April 1852 genehmigten Bestimmungen zur Verhinderung des Schleichhandels an der Seeküste als Regierungsvorlage an den Reichsrat bringen zu dürfen.
Bei der Beratung im Staatsrate haben sich laut des verlesenen Protokollsauszuges Anstände sowohl über den Inhalt der neuen Verordnung als gegen die Einbringung beim Reichsrate ergeben. In bezug auf den Text der Verordnung und Instruktion wurde erstens einstimmig beantragt, den dort mehrmals vorkommenden zu engen Ausdruck Freihafen in die generische Bezeichnung Zollausschluß umzuwandeln. Zweitens beantragte der Staatsratspräsident, die Artikel 7 und 9 der Instruktion als dispositiv und zur Kundmachung geeignet in die Verordnung aufzunehmen. Artikel 7 handelt nämlich von der Kompetenz und dem Instanzenzuge bei Straffällen, insbesondere auch, wenn Übertretungen von Militärgrenzern begangen worden sind, Artikel 9 aber von der Exemtion der Lloyd-Dampfschiffe und von der Begünstigung für die den Grenzern im kroatischen Litorale gehörigen Fischerbarken, wonach selbe ausnahmsweise auch Waren transportieren dürfen. Über die Frage, ob der Gegenstand mittels Vorlage zum Reichsrat zu bringen sei, ergaben sich verschiedene Meinungen, die Stimmenmehrheit einigte sich aber schließlich dahin, daß es nicht opportun wäre, jetzt damit an den engeren Reichsrat zu gehen oder auch nur eine administrative Verordnung darüber kundzumachen, sondern, da der Gegenstand überhaupt weder dringend noch von Belang ist und die Begünstigung der kroatischen Fischerbarken in Beziehung auf den Schleichhandel nicht unbedenklich erscheint, wäre das Auskunftsmittel zu ergreifen, lediglich eine Instruktion an die bezüglichen ersten Instanzen über eine verständige Anwendung der Strafnormen zu erlassen und dafür zu sorgen, daß die berufenen obern Behörden das Strafmilderungsrecht in entsprechender Weise gebrauchen.
Dagegen fand Präsident Baron Lichtenfels kein Hindernis, die beantragten Modifikationen sogleich und ohne Vorlage an den Reichsrat kundzumachen. Was die Vorschriften über die Behandlung der Manifeste und andere Gegenstände der Manipulation betrifft, so sind sie nämlich bloß administrativer Natur, und es wäre durchaus nicht ratsam, sich durch eine Vorlage derselben an den Reichsrat dergestalt die Hände zu binden, daß darin keine Änderung ohne abermalige Zustimmung des Reichsrates getroffen werden könnte. Belangend die darin festgesetzten gegen früher gelinderen Strafen muß auch im konstitutionellen Staate die Regierung als berechtigt angesehen werden, die häufig wechselnden und oft dringenden lokalpolizeilichen Anordnungen zu treffen und durch Strafen zu sanktionieren, ohne den gesetzgebenden Körper um seine Zustimmung anzugehen. Was aber die Beziehungen zu dem Gefällenstrafgesetzbuche und der Staatsmonopolsordnung betrifft, so handelt es sich, wie Freiherr v. Lichtenfels speziell nachwies, keineswegs um eine Änderung dieser Gesetze. Die den kroatischen Barken bewilligte Ausnahme endlich ist keine Gesetzesänderung, sondern eine spezielle Befreiung, wozu die Konferenz sich auch in früheren Fällen ohne reichsrätliche Mitwirkung bereits für berechtigt gehalten hat. Der Präsident formulierte seinen Antrag in folgendem Resolutionsentwurfe: „Ich ermächtige Sie, die angetragenen Bestimmungen zur Verhinderung des Schleichhandels an der Seeküste im Verordnungswege mit der Änderung zu erlassen, daß in dem vorgelegten Entwurfe der Ausdruck ,Freihafen‘ in den Ausdruck ,Zollausschluß‘ geändert und die Artikel 7 und 9 der Instruktion in die Verordnung selbst aufgenommen werden.“ Sektionschef Freiherr v. Hock erklärte sich mit der Substituierung des Ausdrukkes Zollausschluß vollkommen einverstanden. Was die kroatischen Fischerbarken betrifft, so habe das Finanzministerium von seinem Standpunkt durchaus keinen Grund, die fragliche Begünstigung für dieselben zu beantragen, nachdem es schlechterdings unmöglich ist, das Landen und Ausladen der zahlreichen und sehr mobilen Fischerbarken an der Küste außerhalb der Hafenplätze zu überwachen und somit den Mißbrauch der Begünstigung zum Schleichhandel zu verhindern. Die Begünstigung des Warentransports durch Fischerbarken wurde vielmehr lediglich über wiederholtes Andringen der Militärbehörden in die Instruktion aufgenommen, und Baron Hock müsse sich namens des Finanzministers selbst gegen die Aufnahme dieses Zugeständnisses in die Verordnung erklären, weil die Kundmachung desselben ähnliche Ansprüche von den Fischern an unsern übrigen Seeküsten hervorrufen würde. Da ferner die Exemtion der Lloydschiffe — eine Folge ihrer Eigenschaft als k. k. Postschiffe — keiner Verlautbarung bedarf, so dürfte der ganze § 9 in der Instruktion belassen werden können. Die Vorlage an den Reichsrat habe dem Finanzminister von vornherein nicht nötig geschienen, und er habe sich in dieser Beziehung lediglich der Meinung des vortragerstattenden Handelsministers konformiert. Die vom Staatsratspräsidenten gegen die Vorlage geltend gemachten Gründe scheinen auch dem Votanten entscheidend.
Der Handelsminister bemerkte vorerst, daß eine Modifikation der Verordnung vom Jahre 1852 nach dem Zeugnis der Zentralseebehörde, der Handelskammern und aller Landesbehörden nicht nur wünschenswert, sondern dringend notwendig sei. Die ihm diesfalls vom Finanzminister mitgeteilten Operate habe er als völlig entsprechend adoptiert, teile übrigens die Meinung, daß der Ausdruck Zollausschluß statt Freihafen zu gebrauchen sei. Auch werde aus dem Artikel 2 der Instruktion der Ausdruck päpstliche Flagge mit Rücksicht auf die dermaligen Territorialverhältnisse in der Romagna nachträglich zu modifizieren sein. Die zu erlassende Vorschrift scheine dem Grafen Wickenburg die Eigenschaften eines neuen Gesetzes zu haben, zumal über diesen Gegenstand seit dem Editto politico per la Marina austriaca (1779) noch die Verordnungen von den Jahren 1802 und 1852 erlassen worden sind, wovon die letztere dermal abzuändernde Ah. genehmigt und im Reichsgesetzblatte kundgemacht worden ist. Bei den gegen die Vorlage an den Reichsrat geltend gemachten triftigen Gründen wolle aber der Minister nicht weiter darauf bestehen. Minister Ritter v. Lasser äußerte, die Nichtkompetenz des Reichsrates in dieser Sache scheine ihm nicht unbestreitbar, allein im Zweifel müsse man sich sowohl im Interesse der Regierung als selbst im Interesse des Reichsrates gegen die Vorlage aussprechen. Vorsichtsweise dürfte aber in der Kundmachung die Berufung auf eine Ah. Entschließung unterlassen werden, . Im übrigen teilt dieser Stimmführer die Meinung des Sektionschefs Baron Hock. In gleicher Weise sprachen sich aus die Minister Graf Rechberg, Baron Mecséry, Graf Nádasdy und Graf Esterházy. Der Staatsratspräsident erklärte sich ebenfalls damit einverstanden, daß die Begünstigung der Fischerbarken ohne öffentliche Kundmachung in der Verordnung bloß demjenigen intimiert werde, dem es zu wissen nötig ist. Auch bezüglich der Lloydschiffe könne man sich darauf beschränken. FML. Ritter v. Schmerling, im übrigen die Meinung der Vorstimmen teilend, bemerkte, daß ihm von dem Inhalt dieser auch Militärkroatien berührenden Vorschrift bisher nichts bekannt worden sei und er daher jedenfalls sich dagegen verwahren müsse, wenn etwa im Instruktionsparagraph 7 den in der Militärgrenze bestehenden Kompetenzverhältnissen derogiert werden wollte. Er müsse jedoch annehmen, daß diese Bestimmungen mit dem Kriegsministerium vereinbart worden sind. Was ferner die ausnahmsweise Begünstigung der Fischerbarken am kroatischen Litoral anbelangt, finde FML. Ritter v. Schmerling für seine Person dieselbe keineswegs angezeigt, da die Erfahrung in neuerer Zeit bewiesen hat, welche Versuche des Waffenschmuggels geschehen und daß die dortige Küstenbevölkerung wenig vertrauenswürdig ist. Votant müsse daher beantragen, daß von der diesfälligen Anordnung noch vorderhand Umgang genommen werde, bis sich etwa das Kriegsministerium bei wiederholter Rücksprache abermals dafür erklärt.
Der Ministerrat war hiemit einverstanden.
Sektionschef Baron Hock brachte hierauf in Anregung, daß die Erlassung der gegenwärtigen Vorschrift benützt werden könne, um auf die Einbringung von mangelhaften Manifesten durch ausländische oder inländische Seefahrer, die aus fremden in österreichische Häfen einlaufen oder sich der österreichischen Küste innerhalb einer deutschen Meile nähern, eine strengere Sanktion als die bisherige des Editto politico zu setzen und dergestalt der Wiederholung ähnlicher Vorgänge wie jüngst mit dem englischen Schiff „Marathon“ in Triest durch eine schwerere Verpönung Schranken zu setzen. Nach den bestehenden Gesetzen kann eine solche unrichtige Angabe nur mit der relativ sehr niedrigen Strafe von 6 Lire per 20 Zentner verschwiegener Ware gestraft werden, während ein aus einem österreichischen Hafen auslaufender Schiffer nach § 9 der gegenwärtigen Verordnung 10 bis 20 fl. für jeden Zentner zu bezahlen hat. Die Strafe der „Marathon“ würde sich nach diesem Ausmaße auf mehrere tausend Gulden belaufen haben. Wenn man daher die Anwendung einer größeren Strenge in solchen Übertretungsfällen für nötig findet und daraus keine Konflikte mit fremden Regierungen besorgt, würde Sektionschef Baron Hock beantragen, daß diesfalls ein eigener Paragraph in die Verordnung eingeschaltet werde. Auf die Frage von Seite des Handelsministers, ob derselbe Zweck nicht durch einen kleinen Zusatz bei § 5 erreicht werden könne, erwiderte der Sektionschef, daß eine Modifikation des § 5 hiezu nicht genüge, weil dieser Paragraph bloß von den Manifesten über die verladenden und auslaufenden Schiffe spricht, während die neue Bestimmung auf die einlaufenden Schiffe gerichtet sein soll. Der neue Paragraph dürfte lauten: „In betreff der Dokumente, mit denen die aus ausländischen Häfen in inländischen anlangenden oder der österreichischen Seeküste innerhalb einer österreichischen Meile (4 10/100 Seemeilen) sich annähernden Schiffe versehen sein müssen, bleiben die bestehenden Anordnungen aufrecht; im Fall des Abganges, der Unrichtigkeit, Unterschlagung oder Nichtübereinstimmung der Schiffsmanifeste treten aber die Bestimmungen der §§ 9 und 10 in Wirksamkeit.“ Der Minister des Äußern glaubte, aus der Erlassung einer solchen Strafsanktion keine Kollision mit fremden Regierungen besorgen zu sollen, nachdem die ausländischen Schiffe diesfalls nur ganz gleich mit den österreichischen behandelt werden sollen. Übrigens gebe er zu überlegen, ob es nicht angemessen sei, den Beginn des Vollzugs der Vorschrift auf einen längeren Termin auszusetzen, um den auf weiten Reisen befindlichen Kapitänen Zeit zu lassen, sich zu konformieren.
Auch die übrigen Stimmführer erklärten sich für den vom Baron Hock formulierten Zusatzparagraph.
Einfügung a–a Ransonnets.
Einfügung b–b Wickenburgs.
Einfügung c–c Ransonnets.
Einfügung d–d Ransonnets.
Im Protokoll steht irrtümlich
Korrektur f–f FML. Schmerlings aus
Einfügung g–g Hocks.
Einfügung h–h Hocks.
Korrektur Hocks aus
Korrektur k–k Hocks aus
Ergänzung Hocks.
Ergänzung Hocks.
Diese Bestimmungen waren in Wirksamkeit getreten mit der Verordnung der Ministerien der Finanzen und des Handels v. 24. 9. 1853,
Aufgrund einer Anregung der Handelskammer in Ragusa, welche auf Milderung der Strafbestimmungen abzielte, und nach Einholung von Gutachten der lokalen Finanz- und Seebehörden waren im Finanzministerium neue Bestimmungen ausgearbeitet worden; im August 1861 wurde auf Weisung Pleners die Materie dem wiedererrichteten Ministerium für Handel und Volkswirtschaft abgetreten,
Liegen dem in Anm. 2 zit. Vortrag bei.
Erklärung über die geladenen Waren.
Strafgesetz über Gefällsübertretungen von 1835, eingeführt mit kaiserlichem Patent v. 11. 7. 1835,
Zoll- und Staatsmonopolordnung von 1835, eingeführt mit kaiserlichem Patent v. 11. 7. 1835,
Gemeint ist die in Anm. 1 zit. Verordnung von 1853.
Das sog. politische Navigationsedikt Maria Theresias,
Kundmachung des k. k. Guberniums in Triest v. 12. 7. 1802,
Wie Anm. 7.
Die Ah. Entschließung wurde dann doch zitiert, vgl.
Das Einvernehmen mit dem Kriegsministerium war nicht gepflogen worden.
Vgl. MR. II v. 30. 11. 1861/III.
Mit Vortrag v. 20. 12. 1861 unterbreitete Erzherzog Rainer den Gegenstand dem Kaiser, der mit Ah. Entschließung vom selben Tag die Anträge des Ministerrates billigte, d. h. die Bestimmungen sollten nicht als Gesetz, sondern als Verordnung erlassen, die Begünstigung für die Schifferbarken der Grenzer nur nach erklärtem Einverständnis des Kriegsministeriums in die Verordnung aufgenommen und der von Hock beantragte Paragraph eingerückt werden,
Der Handelsminister referierte, der Verwaltungsrat der Credit-Anstalt habe den Sektionschef Baron Kalchberg zum Vizepräsidenten des Verwaltungsrates gewählt und die Beteiligten legten auf die Übernahme dieser Funktion durch den Obgenannten einen so großen Wert, daß mehrere Deputationen dem referierenden Minister ihre diesfälligen angelegentlichen Bitten vorgetragen haben, damit die entgegenstehenden Hindernisse behoben würden. Baron Kalchberg hat seinerseits erklärt, daß er die Funktion eines Vizepräsidenten nur in dem Fall annehmen würde, wenn ihm die Annahme mittels eines besondern Ah. Befehles aufgetragen würde.
Indem Graf Wickenburg diesen Gegenstand zur Beratung des Ministerrates bringt, müsse er bemerken, daß dem Baron Kalchberg vor der Ah. Ernennung zum Sektionschef im Handelsministerium eröffnet worden sei, er müsse auf die mit seiner neuen Stellung unvereinbarlichen Verwaltungsratstellen sofort verzichten, und Se. k. k. apost. Majestät hätten geruht, demselben den Betrag seiner eventuellen Pension mit Rücksicht auf jenes Opfer von 3000 fl. auf 5000 fl. zu erhöhen. Auf die Stelle im Verwaltungsrat der Pilsner Eisenbahngesellschaft habe er bereits resigniert, nicht aber auf die im Verwaltungsrat der Credit-Anstalt, obgleich es hiezu nicht an Erinnerungen von Seite des Referenten gefehlt habe. Daß der Verwaltungsrat der Kreditgesellschaft durch die vielen Resignationen in diesem Augenblick der Auflösung nahe ist, könne nicht geleugnet werden, ebensowenig aber, daß die Zeit des Baron Kalchberg durch seine Funktionen als Sektionschef, Landesuntermarschall, Abgeordneten und Gemeinderat bereits gar sehr in Anspruch genommen sei.
Sämtliche Stimmführer fanden die Übernahme des Vizepräsidiums im Verwaltungsrat der Credit-Anstalt mit der Stellung des Sektionschefs im Handelsministerium unvereinbarlich, und Se. k. k. [Hoheit] der durchlauchtigste Herr Erzherzog Rainer bezogen Höchstsich auf die Allerhöchstenorts wiederholt ausgesprochene entschiedene Willensmeinung über die Unzulässigkeit der Kumulierung von solchen Funktionen.
Im Originalprotokoll fälschlich
Schreiben Kalchbergs an Wickenburg v. 7. 12. 1861 bei
Zur Frage der Unvereinbarkeit von Verwaltungsrats- und Staatsposten siehe MR. v. 13. 9. 1861/VI,
Dazu MR. v. 15. 4. 1861/III,
Das ist die Böhmische Westbahn.
Mit Schreiben v. 14. 12. 1861 teilte Wickenburg dem Sektionschef v. Kalchberg die Meinung des Ministerrates mit und forderte ihn auf, von seinem Verwaltungsratsposten bei der Credit-Anstalt zurückzutreten:
Wien, 13. Dezember 1861. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 20. Dezembeer 1861.
Empfangen 22. Dezember 1861. Erzherzog Rainer.