RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 14. 3.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Burger, Hein; BdR. Erzherzog Rainer 21. 3.
Laut den jüngst eingelangten Berichten des Statthalters von Galizien, Grafen Mensdorff, greift der Wahn, die österreichische Regierung betrachte den polnischen Aufstand mit günstigen Blicken und werde eventuell Galizien behufs der Wiederherstellung des Königreiches gegen Entschädigung im Süden der Monarchie abtreten, immer weiter, und selbst gutgesinnte Galizianer stellen konfidentiell die Anfrage, ob dies die Absichten der österreichischen Regierung sind. Unter diesen Umständen dürfte die neulich beschlossene Insertion nichtoffizieller Zeitungsartikel zur Berichtigung des tiefwurzelnden Irrtumes nicht genügen, sondern es bedarf noch bestimmterer ämtlicher Erklärungen, sei es in der „Wiener Zeitung“, sei es in Kundmachungen der Behörden. Se. Majestät der Kaiser geruhten daher, Allerhöchstihre Minister aufzufordern, sich über den zu wählenden Modus zu äußern.
Der Staatsminister brachte vorerst zur Kenntnis, daß er den FML. Grafen Mensdorff von den 10. d. M. gefaßten Ah. Beschlüssen sofort auf telegrafischem Wege unterrichtet und bereits eine eingehende schriftliche Weisung an denselben vorbereitet habe, worin entschieden ausgesprochen wird, daß Se. Majestät an dem Besitz von Galizien festhalten und den im Königreich Polen ausgebrochenen Wirren gegenüber eine neutrale Haltung behaupten wollen. Es würde daher nur darauf ankommen, am Schlusse dieses noch heute zu expedierenden Erlasses den Auftrag beizufügen, der Statthalter habe zur Aufklärung und Beschwichtigung der Besorgnisse eine Kundmachung an die Behörden im obigen Sinn zu erlassen. Der Staatsminister könne aber nicht unterlassen, hiebei zu erwähnen, daß es den Anschein gewinne, als ob der Statthalter selbst über die Absichten der Regierung nicht außer Zweifel sei, so daß es vor allem nötig wäre, daß er darüber vollkommen unterrichtet werde. Der Polizeiminister, diesem Antrage sich anschießend, machte nur darauf aufmerksam, daß der Ausdruck „Neutralität“ die Stellung der österreichischen Regierung zu den gegenwärtigen Ereignissen in Polen nicht ganz richtig bezeichne, nachdem ein Staat sich wohl zwei kriegführenden Mächten gegenüber neutral verhalten kann, aber der jetzt dort wütende Kampf zwischen der Regierung und den Aufständischen nicht als ein Krieg zweier Mächte im völkerrechtlichen Sinne gelten kann. Auch glaube er nicht, daß es sich bei den galizischen Bauern um die Besorgnis handle, daß Galizien aufgegeben werde, sondern um die für den Augenblick näherliegende Frage, ob der Aufstand im russischen Polen aus was immer für einen Grund von der österreichischen Regierung gutgeheißen und wenigstens indirekt unterstützt werde. Diese letztere jedenfalls falsche Ansicht müsse berichtiget werden Der Minister des Äußern teilte vollkommen diese Ansicht und beantragte, daß jedenfalls das Wort Neutralität nicht gebraucht werde, da dasselbe von mancher Seite ausgebeutet werden würde, um eine wenigstens indirekte Anerkennung des polnischen Aufstandes daraus zu folgern. Das kaiserliche Kabinett habe in seinen ganz übereinstimmend mit den von Österreich auf diplomatischem Wege abgegebenen Erklärungen sich darauf beschränkt zu sagen, „die Regierung werde ihre internationalen Verpflichtungen einhalten“.
Se. k. k. apost. Majestät geruhten zu befehlen, daß der nach dem Antrage des Ministers Grafen Rechberg zu rektifizierende Erlaß an FML. Grafen Mensdorff noch durch den Auftrag ergänzt werde, an die galizischen Behörden eine gedruckte Kundmachung zur Berichtigung der falschen Ansichten in den weitesten Kreisen zu erlassen.
Einfügung a–a Mecsérys.
Einfügung b–b Rechbergs.
Korrektur c–c Rechbergs aus
Die Berichte des Statthalters aus Lemberg und des Leiters der Statthaltereikommission in Krakau sind im
Dazu siehe
Die Weisungen des Staatsministers an den Statthalter sind im
Der Kriegsminister bemerkte, auch eine solche Kundmachung werde den gewünschten Zweck nicht erreichen, solange man behördlicherseits in Krakau sich so passiv wie bisher verhält und dort die Mittel zur Unterstützung und Verbreitung des Aufstandes im Königreiche ungestört vorbereiten läßt. Zur Beleuchtung der dort obwaltenden Verhältnisse las FZM. Graf Degenfeld einen vom Grafen Mensdorff einfach vorgelegten Bericht des FML. Baron Bamberg, laut welchem Hofrat v. Merkl polizeiliche Maßregeln zur Verhinderung des Zuzuges etc., solange kein Ausnahmezustand proklamiert wird, für gesetzlich nicht anwendbar hält. So geschehe es nun, daß in Krakau täglich 15.000 Pfund Brot für die Insurgenten gebakken werden, daß ein Fleischer zu Podgórze als Kontrahent der Insurgenten vor kurzem 80 Ochsen an ihr Lager absendete, daß dieses Lager von Krakauern massenhaft besucht wird etc. Wenn dies alles unter den Augen der Behörden geschieht, ist die Folgerung auf eine vorhandene Konnivenz der österreichischen Regierung ganz natürlich!
Im Laufe der hierüber gepflogenen längeren Erörterung bemerkte der Marineminister unter Beistimmung des Staatsratspräsidenten, Hofrat Merkl sei im Irrtum, wenn er glaube, man könne derlei Umtrieben ohne Verhängung des Ausnahmezustandes nicht gesetzlich entgegentreten. Denn schon der mit Rußland abgeschlossene, in Österreich kundgemachte Staatsvertrag gebe den ordentlichen Behörden den gesetzlichen Stützpunkt zum Eingreifen. Durch den Ausnahmszustand werde ja nur die Kompetenz geändert. Freiherr v. Lichtenfels wies insbesondere auf § 66 des Strafgesetzes hin, wonach Brot- und Fleischlieferungen an die Rebellen auch ohne besonderes Ausfuhrverbot straffällig machen. Allerdings sei es etwas anderes, derlei gesetzwidrige Handlungen tatsächlich zu verhindern. Die Minister der Polizei und des Äußern sprachen ihre Überzeugung dahin aus, daß es unmöglich sei, von hier aus die Maßregeln zu diktieren, um dem revolutionären Treiben in Krakau zu steuern. Diese müssen von den Landesbehörden gewählt werden, welchen die Übelstände und Lokalverhältnisse zunächst und am besten bekannt sind. Der Minister des Äußern sprach sich endlich dahin aus, daß nur dadurch, daß dem Grafen Mensdorff unbedingte Vollmacht gegeben werde, selbständig alle Verfügungen zu treffen, welche die örtlichen Verhältnisse erheischen, damit den gerügten Übelständen Einhalt getan werden könne.
Nachdem die bedauerliche Passivität der Autoritäten in Krakau großenteils daher rührt, daß zwischen dem politischen Chef, dem Militärkommandanten und dem Festungskommandanten nicht die nötige Harmonie besteht, dürfte es nach der Meinung des Staatsministers am besten sein, wenn Graf Mensdorff den Ah. Auftrag erhielte, sich ohne Verzug persönlich nach Krakau zu begeben, dort die geeigneten Maßregeln zu treffen und sich des Vollzugs derselben durch die Zivil- und Militärautoritäten zu versichern. Der Kriegsminister schloß sich diesem Antrage an, welcher auch sofort die Ah. Genehmigung erhielt.
Einfügung d–d Rechbergs.
Der hier referierte Bericht ist im
Münchengrätz 1833, vgl. MR. I v. 26. 1. 1863/I, Anm. 4.
Politischer Chef war Hofrat Merkl, Militärkommandant für Westgalizien war FML. Joseph Freiherr v. Bamberg, Festungskommandant in Krakau war GM. Joseph Freiherr v. Reichlin-Meldegg. Zur Rivalität zwischen Bamberg und Reichlin siehe den Bericht Mensdorffs
Der Auftrag wurde Mensdorff noch am 13. 3. erteilt,
Der Umstand, daß dem Vernehmen nach galizische Studenten sehr häufig zu den Revolutionärs stoßen, veranlaßte Se. Majestät den Kaiser zur Frage, was diesfalls zu verfügen wäre.
Der Staatsminister bemerkte, daß der Rektor der Jagellonischen Universität sich, wenigstens formell, korrekt benommen und mittels Anschlags am schwarzen Brette den Zuzug der Studierenden ausdrücklich untersagt habe. Der Polizeiminister knüpfte daran den von Allerhöchstseiner Majestät sofort genehmigten Antrag, die Dawiderhandelnden mit der Relegierung zu bedrohen.
Der Minister des Äußern brachte zur Ah. Kenntnis, es sei ihm aus guter Quelle zugekommen, die russische Taktik habe sich das Ziel gesteckt, die Aufständischen südlich herabzudrängen und dieselben über unsere Grenze zu treiben. Man müsse daher darauf gefaßt sein, eine Masse von 8000 Bewaffneten nach Galizien hereinbrechen zu sehen. Der Polizeiminister äußerte, er könne nicht annehmen, daß, selbst im Falle der glücklichen Durchführung dieses Plans, eine so zahlreiche kompakte Masse auf einmal übertreten werde. Jedenfalls wären aber die Landesautoritäten dahin zu instruieren, daß sie übertretende, besonders zahlreiche Banden nach geschehener Entwaffnung und Trennung von ihren Führern abteilungsweise und unter militärischer Eskorte so schnell als möglich von der Grenze zu entfernen und in die ihnen anzuweisenden geeigneten Stationsplätze zu senden haben. Dort seien sie dann gehörig zu konsignieren und nach den Grundsätzen zu behandeln, welche bereits für solche Fälle vorgezeichnet wurden, .
Einfügung e–e Mecsérys.
In der Tat kam es zu einer Offensive der russischen Truppen, in deren Folge das Korps des Langiewicz zerstreut und zum Teil auf galizisches Gebiet abgedrängt wurde. Zu Langiewicz siehe MR. v. 24. 3. 1863/I.
anhalten, einweisen.
Siehe MR. v. 23. 2. 1863/III und MR. v. 25. 2. 1863/III.
Wien, 14. März 1863. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 21. März 1863.
Empfangen 21. März 1863. Erzherzog Rainer.