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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

105 Schiltern, Pfk. Hl. Pankraz 1499

Figürliche Grabplatte der Gertraud Schad, roter Marmor, an der Chornordwand der zweite Stein von Westen, 1954 aus dem Boden vor dem nördlichen Seitenaltar, teilweise unter den Kirchenbänken liegend, gehoben. Die Umschrift (I) rahmt ein vertieftes Feld, darin unter Astwerkbogen die Verstorbene frontal ganzfigurig in langem engen Kleid mit Schleppenärmeln und Haube samt offener Kinnbinde, eine Paternosterschnur in beiden Händen, vor den Unterschenkeln ein Vollwappen (Eheallianzwappen in einem Schild mit drei Helmen). Beiderseits des Kopfs zwei Stellen der zu (I) gehörigen Jahreszahl (II), auf dem Agnus-Dei-Anhänger der Paternosterschnur die erhabene Inschrift (III). Gesamte Platte, im Bereich des dritten Schriftbands stark, abgetreten.

H. 220 cm, B. 114 cm, Bu. 8 cm (I) bzw. 12 cm (II) und 2 cm (III). – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

I. Hie · ist · begrab(n) · die · edel · fraw · / · fraw · Gedraut · geporne · Schadin · weile(n)t · d(es) · edel(e)n · gestre(n)gen · / Pernhard [·] vo(n) [·] Seuse(n)eck vn(d) he/rre(n) wolfga(n)g meilestorf(er) · ritt(er) · gmahl · o(biit) · an · su(n)tag · nach · leo(nhard)ib) II. (et cetera)a) 1 · 4 · // · 9 · 9b) · III. ie(su)sc)

Anmerkungen
a) Bestand: tironisches et mit waagrechtem Kürzungsstrich durch den Schaft.
b) Trennzeichen quadrangelförmig.
c) Nomen sacrum; Bestand: ihs mit den Schaft des h überschneidendem Kürzungsstrich.

Datum: 1499 November 10.

Wappen: Seisenegg/Schad1).


Kommentar

Gertraud Schad war vermutlich eine Tochter des Hans Schad von Lengenfeld und der spätestens 1471 mit ihm vermählten Gertraud Steger, aus erster Ehe Witwe nach Wolfgang Velderndorfer2). Der erste Mann Gertrauds, Bernhard (VI.?) von Seisenegg, dürfte der ältere (Stief-?)Bruder und 1479 auch Gerhab Jörgs (d. J. bzw. III.) von Seisenegg gewesen sein (s. Kat.-Nr. 141).

Wolfgang Meilersdorfer, mit Gertraud vermutlich seit etwa 1497 verheiratet, war seit 1460 Tegernseer Vogt und Kastner in Strengberg und Achleiten sowie vor 1492 Freisinger Pfleger der Burg Ulmerfeld3). 1461/62 war er Burggraf von Steyr, wenigstens 1471, 1477, 1480, 1485 und 1492 landesfürstlicher Burggraf bzw. Pfleger von Aggstein, zwischen 1488 und 1492 auch landesfürstlicher Pfleger von Grafenegg. 1467 verkaufte er die Herrschaft Karlsbach an Hans von Plankenstein, von dem er im Gegenzug die Burg Hartenstein erwarb4). 1476 veräußerte er den festen Sitz Himberg an Hans Fischmeister5). Mit seinem Verwandten Bernhard von Seisenegg trat er mehrmals gemeinsam in Urkunden auf6). Die seit etwa 1389 im Besitz der Schad befindliche Burg Kronsegg dürfte ihm durch die Ehe mit Gertraud zugefallen sein, die jedoch anstelle ihres Mannes gegen Ende des 15. Jahrhunderts 12 lb. den. an Gült oder ständischen Kontributionen zu entrichten hatte7). Eine zu Lebzeiten Meilersdorfers vermutlich in der Werkstatt „Sigmund Rueders“ angefertigte qualitätvolle figürliche Grabplatte befindet sich in der für Meilersdorf zuständigen Pfarrkirche Wolfsbach, in der er 1500 einen Jahrtag stiftete8).

Die vorliegende Grabplatte wurde zusammen mit der Grabplatte des Hieronymus Schren(c)k (Kat.-Nr. 99) und der figürlichen Grabplatte des Kaplans an der Steiner Frauenbergkirche, Ulrich Winter (gest. nach 1500), ehemals in der Steiner Frauenbergkirche, heute im WEINSTADTmuseum Krems (Inv.-Nr. 295), einer gemeinsamen (Burghausener?) Werkstätte zugeordnet9). Angesichts der evidenten Parallelen der drei Steine (beim Unterloibener und Steiner Denkmal erhabene Umschrift vor stark kontrastierendem, rauhem Untergrund, bei allen drei Platten grober, knorriger Astwerkbogen am oberen Rand des Bildfelds, charakteristische grobe Bahnen und flach knopfartig ausgebildete Lappenenden der Helmdecke bzw. des Laubwerks) ist der Annahme trotz teils leicht differierender Schriftformen unbedingt zuzustimmen. Die Darstellung der Verstorbenen als ohne die üblichen Attribute einer Toten als Liegefigur frontal gestellte Ganzfigur, unterhalb der Knie hinter dem Vollwappen verborgen, ist außergewöhnlich. Schnitt und Bortenbesatz des Kleids samt Ärmelschleppe sind für die letzten Jahre des 15. Jahrhunderts hochmodisch, als repräsentatives Attribut fungiert auch die Paternosterschnur samt beschriftetem Agnus-Dei-Anhänger (oder Bisamapfel?).

Die trotz eines gelegentlich feststellbaren Schwankens des Duktus vor allem im zweiten und vierten Schriftband mit hoher Disziplin ausgeführte Inschrift weist dicht gesetzte, moderat schlanke Einzelformen auf, wobei der Abstand zwischen zwei Schäften in der Regel kaum größer als eine Schaftstärke ist. Während der Unterlängenbereich nur knapp mehr als ein Drittel der Höhe des Mittelbands ausmacht, mißt der Oberlängenbereich knapp mehr als die Hälfte der Höhe des Mittelbands. An bemerkenswerten Einzelformen sei hier g mit im Unterlängenbereich nach rechts ausholendem gebrochenen unteren Bogen genannt. In Schadin und nach erhält h am an der Basislinie des Mittelbands nach rechts umgebrochenen senkrechten Teil des gebrochenen Bogens eine dem unteren Bogen des g ähnlichen Zierform angesetzt. An den Schaft des l in edel und gmahl wird in halber Höhe des Oberlängenbereichs rechts ein linksschräg orientiertes, sich nach rechts mit einer Haarzierlinie einrollendes Dreieck angesetzt. Zeichen für hohen schriftgestalterischen Anspruch ist die hohe Zahl an dekorativen Zierlelementen nicht nur an den mit zahlreichen Haarzierlinien versehenen Versalien, sondern auch an den Gemeinen: das freie Ende des Linksschrägschafts von d ist regelmäßig gegabelt, wobei eine am oberen Ende angesetzte Haarzierlinie klein eingerollt wird, auch am linken Ende des gebrochenen unteren Bogens g von sitzt ein weit nach links reichender, nach oben eingerollter Haarzierstrich.

1) Geviert von Seisenegg (Si OÖ 361 [Seuseneck] und Taf. 94 bzw. NÖ 2, 131 [Seissenegg] und Taf. 54, vgl. auch NÖLA, Hs. 236/6, pag. 348) und Schad (Linksschrägbalken); drei geschlossene Helme: geschlossener Flug mit seitenverkehrtem Bild Seisenegg; zwei Büffelhörner; geschlossener Flug mit Schrägbalken (Schad). Dieses Eheallianzwappen in einem Schild interpretierte Hans Ferdinand von Velderndorf bei der Zusammenstellung seines „Stamenbuech“ fälschlich als das Wappen der Schad, s. NÖLA, Hs. 82, fol. 6v und 13v. Das an der zuletzt genannten Stelle in Deckfarben gemalte Wappen bezog seine Tingierung möglicherweise aus einem ursprünglich in der Pfarrkirche Schiltern an der Brüstung der Orgelempore befindlichen Totenschild (?), s. ebd. fol. 6v: „Schadisch von Lengenfeldt: dißes wapen ist gemalter auf dem 13. blatt zu finden, man findt eß sonst auch zu Schiltern bey Lengenfeldt in der kierchen auf ainem rothmärblstainen grabstain, auch an der barkierchen [wohl die Orgelempore] in der wandt“, s. auch Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 79.
2) S. den Erbverzicht der Gertraud Steger anläßlich ihrer Wiederverheiratung gegenüber ihren Stiefsöhnen aus erster Ehe von 1472 Februar 22 in NÖLA, Hs. 82, fol. 14r-15v. Topographie 5, 519f., Si OÖ 362, Si NÖ 2, 131 und Adamek, Grabdenkmäler (1968) Kat.-Nr. 34 halten Hermann (wohl d. J.) Schad für Gertrauds Vater.
3) S. BayHStA München, Klosterurkunden Tegernsee 2506a (1460 Oktober 27; Revers Meilersdorfers) sowie Klosterurkunden Hochstift Freising 1492 Juni 22, Wien (Quittung Meilersdorfers über die Burghut von Ulmerfeld), vgl. zu Meilersdorfer als Strengberger Vogt auch Plesser, Kirchengeschichte (1932) 439 (1500 Mai 29) und Plesser, Kirchengeschichte (1998) 590 (1500 Oktober 2), weitere Angaben bei Bibl, Meilersdorf 350f. und DI 10, Kat.-Nr. 284. In Si OÖ 362 werden die genannten Belege mutmaßlich auf einen älteren und einen jüngeren Träger des Namens bezogen.
4) S. NÖLA, Hs. 78/3, pag. 536, Felgel, Grafenegg 627, Plesser, Kirchengeschichte (1911) 131, Bibl, Meilersdorf 350f., Plesser, Kirchengeschichte (1932) 192, Hausmann, Neudegger 88, DI 10, Kat.-Nr. 284, Pauderer, Entwicklung 7, Fux, Land 35 und Regesten Kaiser Friedrichs III. 22, Nr. 171f. (1467 März 14 bzw. 15, Linz). Hartenstein verkaufte er 1472 an Bernhard von Dürnstein weiter. Nach Karlsbach zubenannt erscheint er noch in NÖLA, Privaturk. 3008 (1466 April 11, Seisenegg).
5) S. Topographie 4, 262f., Bibl, Meilersdorf 350f., Plesser, Kirchengeschichte (1939) 455 (1476 Februar 27) und Fux, Land 77. Die Belehnung Fischmeisters erfolgte erst 1481.
6) Vgl. mehrere Urkunden Meilersdorfers unter den Tegernseer Klosterurkunden, die alle von Seisenegg besiegelt wurden.
7) S. NÖLA, Hs. 78/3, pag. 584–610 (undatiertes und unbetiteltes Verzeichnis der landständischen Grundherren in den vier Vierteln mit Anführung von Geldbeträgen), hier 599, wo Meilersdorfer selbst mit einem gesonderten Betrag von 10 lb. den. aufscheint. Topographie 5, 519f. bringt eine wohl stark fehlerhafte Inhaberreihe von Kronsegg. In der gegen Ende des 14. Jahrhunderts offenbar von den Schad errichteten einjochigen Burgkapelle findet sich der Wappenschild der Schad am Schlußstein des Kreuzrippengewölbes sowie auf einem bemerkenswerten skulptierten feinkörnigen Granitstein in der Kapellensüdwand, der über dem Vollwappen der Schad (Schild gelehnt, auf dem linken Obereck der Topfhelm mit Büffelhörnern als Helmzier frontal gestellt) die stark beschädigte Halbfigur eines Schmerzensmanns (?) auf einer Blattkonsole unter einem fragmentierten Baldachin zeigt, vgl. Biedermann, Schiltern 10 und Dehio Nord 1034.
8) S. DI 10, Kat.-Nr. 284 (Abb. 100).
9) Adamek, Grabdenkmäler (1968) 28f., Ders., Grabdenkmäler (1969) 47, und Ders., Grabdenkmäler (1971) 185, Kat.-Nr. 113 (Abb. 30). Zur Kremser Grabplatte vgl. in Zukunft den ebenfalls vom Bearbeiter vorbereiteten Band mit den Inschriften der Statutarstadt Krems a. d. Donau. Möglicherweise ein älteres Werk derselben Werkstätte, das bereits einzelne Charakteristika der späteren Arbeiten (erhabene Umschrift, Details der Helmdecke) zeigt, könnte die Wappengrabplatte des Pankraz von Plankenstein (gest. 1465) in der Wiener Michaelerkirche sein, s. Dehio Wien 120.
Literatur

NÖLA, Hs. 82, fol. 6v. – DASP, Nachlässe 5, Heft M, fol. 9r. – Biedermann, Schiltern 11f. – Plesser, Kirchengeschichte (1951) 145. – ÖAW, NLH, 5. 4. 1966. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 28–31 und Kat.-Nr. 34 (Abb. 31). – Adamek, Grabdenkmäler (1969) 47. – Adamek, Grabdenkmäler (1971) 185 (Kat.-Nr. 113). – Eppel, Waldviertel 205. – Zotti, Kunst 2, 341. – Dehio Nord 1031. – Zajic, Grabdenkmäler (2004) 170 (Anm. 59). – Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 132 (Anm. 240), 79, 197f. (Abb. 7) und 277.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 105,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj105.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 73: Grabplatte der
Gertraud Schad (1499)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)