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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

220† Göttweig, Sammlungen 1544

Tischglocke mit Bibelzitat und Gußvermerk als Glockenrede, 1907 im Wartezimmer (Fünftes Zimmer) in der Prälatur, noch 1961 im Archiv im Erdgeschoß des Nordtrakts (Cancellaria) aufbewahrt. Balusterartige Handhabe mit rundem Knauf, mit Blattleiste verzierte sowie mehrfach profilierte Platte, am Hals ornamentaler Fries aus vegetabilem Dekor, doppelten Stableisten und kleinen (heraldischen) Lilien, an der Flanke Reliefs Verkündigungsengel, Maria auf dem Thron sowie vegetabiles Ornament, zwischen diesen umlaufend Inschrift (I). Am Wolm über dem Schlagring umlaufende Inschrift (II) zwischen zwei Stableisten. Inschriften erhaben.

H. (ohne Handhabe) 7,5 cm, D. 8 cm, Bu. 0,6 cm (I) bzw. 1 cm (II). – Frühhumanistische Kapitalis (I) und Gotische Majuskel (II).

Standortangabe, Beschreibung, Abmessungen und Textwiedergabe nach ÖAW, NLH, 28. 7. 1961 bzw. Aufnahme BDA N 11159.


Textedition
			

I. AVE // GRACIA // PLENAa) II. IC BEN GHEGOTEN INT IAER M D XLIIII

Anmerkungen
a) Wörter durch Reliefs getrennt.

Lc 1,28 (I).


Kommentar

Die Glocke, wohl angesichts der sprachlichen Merkmale des Gußvermerks als niederdeutsche Arbeit charakterisiert, stammte angeblich aus dem Besitz der Stadtgemeinde Mautern1). Möglicherweise befand sie sich jedoch schon im frühen 17. Jahrhundert im Besitz des Klosters und ist mit der auf dem Porträt Abt Georg (II.) Falbs abstrahierend wiedergegebenen Glocke identisch (s. Kat.-Nr. 411).

Während die Formen der Frühhumanistischen Kapitalis (A mit beidseitig überstehendem Deck- und gebrochenem Mittelbalken, epsilonförmiges E und L mit extrem kurzem Balken) durchaus dem seit dem Ende des ersten Jahrhundertviertels abgeschlossenen Entwicklungsstand der Schriftart entsprechen, wirkt die überlebte Gotische Majuskel der unteren Inschrift durch die gegenüber den Gotischen Majuskel-Inschriften des 14. Jahrhunderts sehr reduzierten Bogen- und Schaftschwellungen und die daraus resultierende Linearität (I etwa als auf ganzer Länge fast einheitlich starker Schaft) trotz einzelner Perlsporen steif und geziert. Zum Schriftbild Gotischer Majuskel in Glockeninschriften des 16. Jahrhunderts vgl. etwa die jedoch noch stärkere Bogenschwellungen aufweisenden Inschriften auf drei Glocken von 1517 in der Pfarrkirche Inzersdorf ob d. Traisen, von 1521 in der Pfarrkirche Traismauer bzw. von 1535 in der Pfarrkirche Michelbach2).

1) ÖKT 1, 486.
2) S. Fahrngruber, Hosanna 89, 132 und 204, und Weißenbäck/Pfundner, Erz 347, 365 und 400.
Literatur

ÖKT 1, 486. – ÖAW, NLH, 28. 7. 1961.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 220,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil2/noe-3-obj220.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich  Politischer Bezirk Krems  Göttweig, Sammlungen    •  Tischglocke  •  Bibelzitat  •  Gußvermerk  •  Glockenrede  •  Frühhumanistische Kapitalis  •  Gotische Majuskel  •  Falb, Adam  •  Falb, Georg II.  •  Inzersdorf ob d. Traisen  •  Mautern a. d. Donau  •  Michelbach  •  Traismauer

Abbildungen

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Abb. 114: Tischglocke (1544)
©  Bundesdenkmalamt, Wien, Fotoarchiv