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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Imst

20 Stift Stams, Kreuzgang 1456

Wappengrabplatte der Brüder Friedrich, Heinrich und Peter von Freiberg, ihrer Familie und Ehefrauen, Kalksandstein, im Osttrakt des Kreuzgangs, eingemauert in die Ostwand, dort schon um 1756: „nach dem Thore der Mutter Gottes der Ite“ Stein. Der hochrechteckige Stein zeigt an der oberen Schmalseite und beiden Längsseiten eine vertieft erhaben ausgeführte Umschrift, die an den vier Ecken der Platte von zur Mitte hin gelehnten Wappenschilden (Ahnen- und Eheallianzwappen) in vierpassförmigen Medaillons unterbrochen bzw. begrenzt wird. Anstelle des dritten Schriftbands befindet sich an der unteren Schmalseite ein weiterer Wappenschild. Das Mittelfeld zeigt das detailreiche, tief unterschnittene Relief eines stehenden linksgewendeten wilden Mannes, der das Oberwappen der Verstorbenen auf dem Kopf trägt. In der rechten Hand hält er den Wappenschild, in der linken Hand eine Fahnenlanze, die auf dem Fahnentuch das Wappenbild wiederholt. Auf Kniehöhe der Figur am rechten Rand überdeckt den Schaft der Lanze ein Vollwappen. Beschädigungen durch Feuchtigkeitseinwirkung am unteren Rand.

H. 213 cm, B. 113 cm, Bu. 8 cm. – Gotische Minuskel.


Textedition
			

· begrebnvsa) · der · / · edln · fridrichs · h(errn) · heinrichs · vn(d) · h(errn) · peters · vo(n) · freyberg · // · gebrvd(er)b) · vn(d) · ir · vater · mut(er) · vnd · auch · ir · gemachln · 1456

Anmerkungen
a) als Trennzeichen Rosetten.
b) die Umschrift spart das dritte Schriftband aus und setzt erst auf der linken Längsseite wieder ein.

Wappen: Frundsberg1), Hoheneck2)
                                Freiberg3)
              Seiboldsdorf4), Milser5), Stein6).


Kommentar

Die drei inschriftlich genannten Brüder waren Söhne des Friedrich von Freiberg zu Eisenberg und der Anna von Hoheneck (vgl. Kat.-Nr. 14†); die Herrschaft Eisenberg teilten sie nach dem Tod des Vaters unter sich auf7). Der in der Inschrift genannte Friedrich hatte Lebersorg zufolge Sophia von Frundsberg, Heinrich Walburga von Seiboldsdorf und Peter Amalie von Stein geheiratet. Die Darstellung des Wappens der Milser im Zusammenhang der Grabplatte konnte auch Lebersorg nicht erklären8). Die Grabmonumente der Amalie von Stein und der Eltern der drei Brüder, die sich einstmals ebenfalls im Kreuzgang des Stiftes befanden, sind nur noch kopial überliefert (vgl. Kat.-Nrr. 14† und 19†).

Das Grabdenkmal ist in Lebersorgs Chronik auch als Zeichnung enthalten; allerdings ist gerade die Inschrift an vielen Stellen nicht zuverlässig wiedergegeben. So erkannten weder Lebersorg noch Primisser die linksgewendete 5 und datierten den Stein deshalb auf 1476, worin ihnen die moderne Literatur bisher stets gefolgt ist9).

Von Primisser erfahren wir, dass sich die Freiberger Brüder aus Platzgründen ein gemeinsames Grabdenkmal aufstellen ließen: Ihm zufolge habe die Reihe der bereits vorhandenen Grabmonumente am Ort der Familiengrablege für eigene Denkmäler nicht mehr ausgereichenden Platz gelassen, so dass die Brüder sich entschieden, ein gemeinsames Grabdenkmal für sich und ihre Frauen zu errichten10). Nach dem Index zu Primissers Annales war es Friedrich, der von den drei Brüdern für die Aufstellung des qualitätvoll skulptierten Grabdenkmals sorgte11). Die Eintragung eines „Fridericus de Freyberg“ im Nekrolog des Stiftes Stams zum 5. Februar dürfte sich auf diesen Friedrich d. J. beziehen, da sein Vater, Friedrich d. Ä., und dessen Gemahlin am 6. Mai und am 6. November eingetragen sind12).

Die Ziffern der meist falsch gelesenen Jahreszahl – der älteste Beleg für die Verwendung arabischer Ziffern für eine Datierung im Bezirk Imst – sind teilweise bemerkenswert schwungvoll stilisiert: während der Schaft der 1 oben und unten konventionell gebrochen erscheint, weisen die schlingenförmige 4, aus einem Bogen bestehend, die linksgewendete 5, gebildet aus Schaft und links ansetzendem Bogen, und die 6 mit offenem, oben nach links eingerolltem Bogen, eine gewisse harmonische Spannung auf.

1) Si TirA 22 und Taf. 3 bzw. BayA2, 41 und Taf. 26 (Stammwappen).
2) Si BayA1, 75 und Taf. 75, vgl. auch Württembergisches Adels- und Wappenbuch 333f.
3) Abweichend zu Si Bay 35 und Taf. 32: Wappenschild in der Hand des Wilden Mannes: geteilt; unten sieben Kugeln (3:3:1); Oberwappen auf dem Kopf des Wilden Mannes: Spangenhelm, aus der Helmdecke wachsend eine Schwanenbüste, flankiert von zwei mit einer Krone und über dieser einem Federbusch besetzten Stäben. Vollwappen am rechten Rand: geteilt, unten drei Kugeln (2:1); Spangenhelm; über Helmkrone ein Federbusch (Freiberger Stammwappen). Heraldische Fahne in der Hand des Wilden Mannes: gespalten, rechts sieben Kugeln (2:3:2); vgl. auch Württembergisches Adels- und Wappenbuch 199.
4) Si Bay Erg 9 und Taf. 3.
5) Ein steigendes Einhorn.
6) Si1, 111, Bay 58 und Taf. 61 (Stammwappen) bzw. Wü 12 und Taf. 15 (Stammwappen), vgl. auch Württembergisches Adels- und Wappenbuch 754f.
7) Rump, Füssen 314.
8) Lebersorg, Chronik 185 (Haidacher 330–333) und Primisser, Index II, 30. Nach Schwennicke, Stammtafeln 16, 11 hatten Sophia von Frundsberg und Friedrich von Freiberg 1442 geheiratet.
9) Lebersorg, Chronik 185 (Haidacher 330–333; Abb. 159); Primisser, Annales III, cap. XXIX, § 58; Primisser, Additiones IV, cap. XXIX, 295 und Primisser, Index II, 30; derselbe Datierungsfehler findet sich auch bei Dehio Tirol 755 und Köfler, Chronist 1112.
10) „Nobilis Freybergiorum prosapia in claustro Stamsensi sua sepulcra et lapides habebat sepulcrales: qui cum commode locari deinceps jam non possent; tres fratres Fridericus, Henricus et Petrus lapidem communem posuerunt, suis ac conjugum suarum scutis insignem“; Primisser, Annales III, cap. XXIX, § 58. Primisser erwähnt also nicht, dass der Stein auch für die Eltern der Freiberger geschaffen worden war, und dass auch das Wappen der Mutter (Hoheneck) auf dem Grabmonument zu finden ist.
11) Primisser, Index II, 30.
12) Necrologium Stamsense 49, 52 und 58.
Literatur

Lebersorg, Chronik 185 (Haidacher 330–333). – Gay, Historia I, cap. XII, 97. – Stiftsarchiv Stams G VIIa n. 16 fol. 2. – Primisser, Annales III, cap. XXIX, § 58. – Primisser, Additiones IV, cap. XXIX, 295. – Primisser, Index II, 30. – Mayrhofen, Genealogien 3, 317. – Necrologium Stamsense 49, 52 und 58. – Hormayr-Hortenburg, Chronik, Anderte Abtheilung 82 und Tab. VI. – Köfler, Chronist 1112f. – Rump, Füssen 314. – Dehio Tirol 755. – Wiedenmann, Adelsverflechtung 129. – Schwennicke, Stammtafeln 16, 11. – Schmitz-Esser, Inschriften (2003) 83f. – Schmitz-Esser, Stift Stams 219 und 239 (Abb. 5).



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 20,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/imst/tirol-1-obj20.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 38: Grabplatte der
Brüder von Freiberg (1456)
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Gerhard Watzek)