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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

274 Landeck, Pestkapelle Hll. Sebastian, Rochus und Pirmin („Burschlkirche“) 1651

Altar mit Stifterinschrift und Jahreszahl, polychromiertes und vergoldetes Holz, als Hochaltar im Chor aufgestellt. Der dreigeschossige, dreiachsige Altar zeigt im hochrechteckigen Mittelschrein zwischen zwei vergoldeten kannelierten Säulen mit korinthischen Kapitellen unter einem annähernd dreipassförmigen Schleierbrett vor blauem Hintergrund die Statuen des Hl. Sebastian (auf einem durch den Predellenschrein darunter erhöhten Sockel), flankiert von den Hll. Pirmin (links) und Rochus (rechts), jeweils auf mit Wappen in längsovalen Kartuschen besetzten Sockeln stehend, über den Oberrändern je ein weißes Spruchband mit Monogramm als Wappenbeischrift (I links, II rechts). Über dem Kopf des Hl. Sebastian, im Scheitel des Dreipasses, findet sich eine querovale, von zwei flankierenden Engeln gehaltene Inschriftenkartusche mit einer gold aufgemalten Jahreszahl auf blauem Grund (III). Beiderseits der Säulen die Statuen eines Hl. Königs mit Schwert (links) und des Hl. Andreas (rechts), von den Säulen entspringenden Volutenspangen rundbogig überfasst. Im Auszug über reich mit Zahnschnittfries versehenem gesprengten Giebel Statue Maria mit Kind auf der Mondsichel, flankiert von zwei Pilastern, die einen cherubskopfbekrönten Kielbogen tragen, auf dessen Scheitel ein durchbrochen geschnitztes rotes Jesusmonogramm in goldenem Strahlenkranz sitzt (IV). In der hohen Predella mittig blaugrundiges Feld, oben in den Mittelschrein eingreifend, darin zwei unidentifizierbare Statuen weiblicher Heiliger, unmittelbar darunter querrechteckiges, sechszeilig weiß auf schwarz beschriftetes Inschriftenfeld (V). Zu beiden Seiten Rundbogennischen (heute nicht zugehörige Statuen eingestellt), außen die vegetabil ornamentierten, seicht vortretenden Säulenpostamente.

Bu. 1,2 cm (I und II), ca. 7 cm (III), 5 cm (IV), 1,5–2 cm (V). – Kapitalis (I, II, IV und V) und Fraktur (V).


Textedition
			

I. : S(IGMVND) : W(EINZIRL) : II. : R(OSINA) : F(IEGER) : III. · 16 · 51a) · IV. JES(VS)b) V. Gott dem Almechtigen · seiner hochgelobten Muetter wie auch S(anct)c) sebastian Rochus vnd Pirminius als pestpatro(n)end) / Zu Lob vnd ehr · hatt der Erwirdig Gaistlich Herr FRATER Melchior Maria Weinzirl, / ORDENS der diener vnsser Lieben Frauen bey · S(anct) Joseph. Zu Jnsprug, auf / dessen Eheleiblih Lieben Vatter weilend herr Sigmunden Weinzirls gewesten ge/richtschreibers zu Landegg. in GRASIER(ENDER) INFECTIONS Zeit getunes verlobe: / dissen Altar Machen vnd avfrichten Lassen. Anno 1651

Anmerkungen
a) Ziffern weiß mit roter Schattierung an der rechten Seite aufgemalt; darunter ein vegetabiles Ornament.
b) Nomen Sacrum, Bestand: JHS; Balken des H mit Ausbuchtung nach oben, darauf ein Kreuz, unter dem Balken ein von drei Nägeln durchbohrtes Herz.
c) Bestand: S: S:
d) Kürzungszeichen wohl bei einer Restaurierung übermalt.

Wappen: Weinzirl1), Fieger2).


Kommentar

Der frühbarocke Hochaltar wurde von der Familie Weinzirl gestiftet3). Seine Entstehung geht, wie aus der Inschrift in der Predellazone (V) hervorgeht, auf ein Gelöbnis des Gerichtsschreibers Sigmund Weinzirl zurück, der während der Pest 1634/35 dessen Errichtung versprach; das Versprechen löste jedoch erst sein Sohn, der Innsbrucker Servitenpater Melchior Maria Weinzirl, ein. Die Wappen beziehen sich auf Sigmund Weinzirl und seine Frau Rosina Fieger von Kronburg4). Im Widerspruch zur Jahreszahl der Inschrift I am Altar lässt sich die Weihe des Hochaltares zu Ehren der Hll. Pirmin und Rochus archivalisch bereits am 19. August 1648 nachweisen5). Doch ist die Aufstellung des hölzernen Altarretabels nicht Vorbedingung für die Weihe des gemauerten Altarstipes, in dessen Sepulchrum die Reliquien verschlossen sind.

Die Schnitzfiguren werden ebenso wie der linke Seitenaltar in der Burschlkirche dem Künstler Adam Payr aus Prutz zugeschrieben6), doch bestehen in zahlreichen Details der architektonischen Gliederung und der Ornamentik Bezüge zum nur wenig jüngeren rechten Seitenaltar (Kat.-Nr. 275), der Michael Lechleitner zugeschrieben wird.

1) In schwarz zwei goldene (?) Balken, mit einer blauen Spitze überdeckt, darauf ein goldener Greif auf grünem Dreiberg.
2) Si TirA 22 und Taf. 3 (freiherrliches Wappen).
3) Zur Familie Weinzirl und ihrem Verhältnis zur Burschlkirche vgl. Kat.-Nr. 272.
4) Vgl. Ammann, Oberland 223. Vielleicht handelt es sich bei dieser Rosina Fieger um die nicht näher bezeichnete Tochter des Jakob Fieger von Friedberg und der Magdalena Knillenberg, die Mayrhofen im betreffenden Zeitraum aufführt; Mayrhofen, Genealogien 3, 270. Vgl. Granichstaedten-Czerva, Beiträge 45f.
5) Felmayer, Altäre 34.
6) Vgl. Ammann, Bildhauer 131 und ThB 26, 326.
Literatur

Felmayer, Altäre 34f. – Ammann, Oberland 223. – Dehio Tirol 458. – Ammann, Bildhauer 131.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 274,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj274.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 174: Stifterinschrift (1651), Detail
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Werner Köfler)