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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Imst

93 Stams, Stiftskirche 1633

Grabplatte des Schöntaler Abtes Sigismund Fichtlin, roter Marmor, innen zwischen dem zweiten und dritten Joch des Langhauses von Westen, südöstlich des Eingangs zur barocken Gruftanlage, an der Südwand zwischen zwei Beichtstühlen. Der hochrechteckige Stein zeigt ein graphischlinear eingehauenes getatztes lateinisches Kreuz; unter dessen Balken befindet sich zu beiden Seiten des Schaftes die zweizeilige Inschrift.

H. 105 cm, B. 62 cm, Bu. 6,5–7,5 cm. – Kapitalis.


Textedition
			

F(RATER)a) S(IGISMVNDVS) // A(BBAS)b) S(CHOENTHALENSIS) / 1. 6c). // 3. 3b).

Anmerkungen
a) Initialen aufgelöst nach Primisser, Additiones VII, cap. XLI, 35; s. Kommentar; als Kürzungszeichen dienen Punkte auf der Grundlinie hinter jedem Buchstaben.
b) Unterbrechung durch den Schaft des Kreuzes.
c) 6 deutlich über die Oberlinie gezogen; Unterbrechung durch den Schaft des Kreuzes.

Bruder Sigismund, Abt von Schöntal, 1633.


Kommentar

Die Auflösung der gekürzten Inschrift ermöglicht der Stamser Chronist Primisser1). Es handelt sich demnach bei dem Verstorbenen um Sigismund Fichtlin, den Abt des Zisterzienserklosters Schöntal im Odenwald. Er war in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges im Oktober 1631 vor den schwedischen Truppen geflohen und wurde schließlich samt seinem Gefolge im Stift Stams aufgenommen (nach Paul Gay „sambt seinen priore, secretario, kämerling, Guttschen und 5 pferdt“2)). Schließlich verstarb der Abt von Schöntal auch in Stams und wurde in der Stiftskirche beigesetzt. Sein Todestag war der Tag des Hl. Josef, der 19. März3). Paul Gay bemerkt, Abt Sigismund sei „bej S. Johannuß Evangelisten begraben word(en)“, also vor dem Altar des Hl. Johannes4). Auch in Schöntal errichtete man dem Abt ein 1633 datiertes Epitaph5).

Es ist kein Zufall, dass der Abt von Schöntal gerade in Stams Zuflucht suchte. Die Paternitätsrechte seines Zisterzienserklosters waren 1282 von Maulbronn an Kaisheim übergegangen, das in der Hierarchie des Ordens ja auch Stams vorgestellt war6). Schöntal und Stams waren also Schwesterklöster und die Äbte dürften sich von den regelmäßigen Zusammenkünften im Orden her gut gekannt haben.

1) Primisser, Additiones VII, cap. XLI, 35. Die Auflösung Primissers scheint äußerst zuverlässig, da auch der Nachfolger Abt Sigmunds, Abt Christoph Hahn von Schöntal, in seinen Bucheinbänden dasselbe Kürzel verwendete, nämlich: „F(rater) C(hristophorus) A(bbas) S(choentalensis)“; Hummel, Bibliothek 230.
2) Gay, Diarium 166 (zum März 1633).
3) Gay, Diarium 166 (zum März 1633); Leypold, Prospectus 43 und 66; Primisser, Additiones VII, cap. XLI, 35.
4) Gay, Diarium 166 (zum März 1633). Vgl. Leypold, Prospectus 43 und 66
5) S. DI 73, Kat.-Nr. 821; hier auch weitere Angaben zur Person Sigismund Fichtlins.
6) Eberl, Schöntal 1539 und Rückert, Paternität 51–74. Ein Pergamentkodex mit den Jahresabrechnungen der Klöster Stams und Schöntal aus den Jahren 1295 bis 1349, der vermutlich aus Kaisheim stammt, ist ein Zeugnis dieser Klöster-Verschwisterung; Weissenberger, Lage 56–59.
Literatur

Gay, Diarium 166. – Primisser, Annales V, cap. XLI, § 7. – Primisser, Additiones VII, cap. XLI, 14 und 34f. – Primisser, Index III, 43. – Schmitz-Esser, Inschriften (2003) 94–96. – Schmitz-Esser, Herrschaftsrepräsentation 75.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 93,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/imst/tirol-1-obj93.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol  Politischer Bezirk Imst  Stams, Stiftskirche   •  Grabplatte  •  roter Marmor  •  Kapitalis  •  Inschriften des Totengedenkens  •  Fichtlin, Sigismund  •  Gay, Paul  •  Hahn, Christoph  •  Primisser, Cassian  •  Kaisheim, Zisterze  •  Maulbronn, Zisterze  •  Odenwald  •  Schöntal, Zisterze  •  Stams

Abbildungen

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Abb. 80: Grabplatte des Abtes
Sigismund Fichtlin (1633)
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Gerhard Watzek)