Die Inschriften des Bundeslandes Tirol
Politischer Bezirk Reutte
300 |
Vils, Pfk. Mariä Himmelfahrt |
1524 |
Glocke („Susanna“) mit Gebetsanrufung, apotropäischer Inschrift und Angabe des Gussjahres, im Turm. Am Hals zweizeilige Umschrift zwischen Stableisten (I), darunter am Mantel ist auf zwei Seiten gegenüberliegend je eine Jahreszahl (II, III) über zwei Wappenschilden zu erkennen.
Bu. ca. 4 cm (I) und 3,5 cm (II und III). – Frühhumanistische Kapitalis.
Textedition
I.
+ SANCTAa) TRINITAS VNVS DEVS MISERERE NOBIS PECCATORIBVS
AM(EN) / + HOCa) NOCVA CEDANT HOSTIS ET AVRA SONO IHESVS
NAZARENVS REX
II.
1524
III.
1524
Anmerkungen
Wappen: unbekannt1), unbekannt2).
Kommentar
Die Glocke stammt angesichts der charakteristischen Texte einschließlich des isolierten Pentameters der apotropäischen Inschrift (HOC NOCVA usw.) sowie der Formen der Frühhumanistischen Kapitalis zweifelsfrei aus der Biberacher Werkstatt des Hans Follmer, die dieser ab etwa 1519 nach dem Ausscheiden seines früheren Partners Martin Kisling allein weiterführte3). Die Glocke zeigt entgegen älteren Annahmen4) nicht das Wappen der Herren von Hoheneck zu Vilseck, deren Grablege die Vilser Pfarrkirche zeitweise war (vgl. Kat.-Nrr. 304, 308 und 334). Die Hohenecker scheiden damit auch als Stifter der Glocke aus. Da der Verbreitungsradius der Glocken aus der Biberacher Werkstatt den schwäbischen Raum anscheinend nicht wesentlich überstieg, stellt sich die Frage, ob die Glocke ursprünglich überhaupt für die Vilser Pfarrkirche bestimmt war. Dass sie heute noch existiert, verdankt sie der Tatsache, dass sie in beiden Weltkriegen bereits als schützenswert eingestuft und so nicht für die Kriegsrüstung eingeschmolzen wurde. Dies Schicksal blieb jedoch mehreren anderen Glocken der Pfarrkirche nicht erspart. Darunter war auch die älteste erhaltene Glocke, die Vesperglocke, auf der in „gotischer Schrift“ die Namen der vier Evangelisten zu lesen gewesen sein sollen. Sie wurde am 5. August 1916 abgenommen und zu Kriegszwecken eingeschmolzen5).
Die Schrift der Follmer-Werkstatt bleibt weitgehend im Rahmen des bei Frühhumanistischer Kapitalis jener Zeit zu erwartenden Formenbestands: So findet sich auch hier bei insgesamt moderat schmalen Proportionen A mit beidseitig überstehendem Deckbalken und gebrochenem Mittelbalken, epsilonförmiges E, schlankes konisches M mit hoch angesetztem Mittelteil, N mit Ausbuchtung am Schrägschaft und spitzovales O. Etwas ungewöhnlicher erscheinen das ins Majuskelschema gehobene Minuskel-b mit mächtigem Bogen und nur minimal die Oberlinie durchstoßendem Schaft sowie I mit zwei Halbnodi in der Mittellinie und mächtigen Deckbalken.
Literatur
Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Heilige Dreifaltigkeit, einiger Gott, erbarme dich über uns Sünder, amen. Vor diesem Klang mögen Feind und schädliche Lüfte weichen! Jesus von Nazareth, König (I).
Pentameter (I).