Die Inschriften des Bundeslandes Tirol
Politischer Bezirk Reutte
312 |
Breitenwang, Pfk. Hll. Petrus und Paulus |
1587, 1591 |
Wappengrabplatte des Oswald und der Dorothea Kleinhans, Sandstein, außen an der Langhaussüdwand östlich der Grabplatte der Margarethe Kleinhans (vgl. Kat.-Nr. 294). Hochrechteckiger Stein: im oberen Drittel querrechteckige Rollwerkkartusche mit achtzeilig beschriftetem querovalen Inschriftenfeld (I). Darunter liegen in längsovalem vertieften Feld (die Oberfläche des Steines in den Zwickeln mit Roll- und Beschlagwerk versehen) zwei einander zugewendete Eheallianz(voll)wappen. Am Unterrand querrechteckige, wohl dreizeilige (?) Inschriftentafel (II), ab der Mittellinie von Zeile 2 von Sockelverblechung überdeckt. Unteres Drittel des Steins samt Inschrift II durch Witterungseinflüsse stark beschädigt.
H. 174 cm, B. 105 cm, Bu. 3 cm. – Minuskelmischschrift (und Kapitalis).
Text von Inschrift II ergänzt nach Lechner, Grabdenkmäler 95.
Textedition
I.
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II.
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Anmerkungen
Wappen: Kleinhans1), Bonrider2).
Kommentar
Die gegenständliche Grabplatte wurde offenbar 1587 anlässlich des Todes der Dorothea, geb. Bonrider, für die Verstorbene und deren Ehemann Oswald Kleinhans angefertigt. Zusammen mit dem nach dem Tod Kleinhans’ eingehauenen Nachtrag in Zeile 1 von Inschrift I – er stammt offensichtlich noch von der Werkstatt, die schon die ursprüngliche Inschrift ausgeführt hatte – wurde offenbar auch die heute fast völlig verlorene Inschrift II auf Oswalds zweite Frau nachgetragen.
Oswald Kleinhans gehörte zu den wichtigsten Persönlichkeiten seiner Zeit in der Gegend von Reutte. So bekleidete er das Amt eines Bürgermeisters von Reutte und scheint in mehreren Urkunden als Vertreter von Reutte und Breitenwang auf3). In diesen Gemeinden war Oswald Kleinhans, dem unter anderem der Ansitz Ehrenheim gehörte, reich begütert4). Er versah zudem das Amt eines Heiligenpflegers der St.-Anna-Kirche in Reutte, für die er sich mehrfach einsetzte5). 1582 waren die auch in Südtirol ansässigen Kleinhans unter Kaiser Rudolf II. in den Adelsstand erhoben worden6). Der Mädchenname von Oswalds erster Frau Dorothea, Bonrider, ist in Breitenwang unüblich. Tatsächlich gehörte sie einer Augsburger Familie an7).
Aus der Familie Kleinhans stammt auch noch ein älteres Grabmonument auf dem Friedhof von Breitenwang (vgl. Kat.-Nr. 294).
Die Inschrift amalgamiert Formen und Gestaltungsprinzipien aus Gotischer Minuskel und Fraktur. Den allgemeinen Eindruck bestimmt wesentlich die überwiegend starre, gitterartige Struktur des Mittelbandes mit seinen doppelten Brechungen, dem die bewegteren Fraktur-Versalien gegenüberstehen; kanongemäß für Gotische Minuskel ist a durchwegs zweistöckig, dagegen reicht der Schaft des langen s frakturgemäß in den Unterlängenbereich, ebenso ragt der Schaft des t in den Oberlängenbereich.
Literatur
Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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