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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Reutte

321 Biberwier, Kapelle Hl. Rochus 1610?, 1626

Wandmalereien mit Stifterinschriften, an der Chorwand rechts und links des Altars. Die durch die 1691 sekundär eingebrochenen Fenster im oberen Bereich weitgehend zerstörten Wandmalereien zeigten in übereinstimmendem Aufbau früher je eine Figur (erhalten nur noch die am Unterrand aufstehenden Füße) in hochrechteckigem Bildfeld mit illusionistisch aufgemalter gelber Volutenrahmung (von den Voluten an den beiden unteren Ecken beiderseits je ein Pinienzapfen abhängend), unterhalb des Bildfeldes ein querrechteckiges Inschriftenfeld mit schwarz auf weiß aufgemalter, rechts vierzeiliger (I), links fünfzeiliger Inschrift (II), die jeweils zugehörige Jahreszahl auf der Rahmenleiste über dem Inschriftenfeld mittig aufgemalt. Beide Darstellungen nehmen sichtlich Rücksicht auf die unmittelbar an den Unterhang der Rahmen anstoßenden, wohl geringfügig älteren Konsekrationskreuze (vgl. Kat.-Nr. 331). Die Wandmalereien kamen im Zuge einer Restaurierung des Innenraumes in den 1960er Jahren zum Vorschein und wurden besonders im Bereich der Inschriften stark überarbeitet; der Text ist demnach teilweise entstellt.

H. (des Inschriftenfeldes) 16 cm (I und II), B. 72 cm (I) bzw. 69 cm (II), Bu. ca. 2 cm (I und II). – Fraktur.


Textedition
			

I. 16a) · 10b) // Gott dem Allmechtige(n) seiner Liebe Muetter Mariae, auch / S(anct) Sebastianc) vnd S(anct) Rochus zue lob vnd Ehr, hatt der Ehr/=hafft Fürnehme Thamas Ta͜ esch Württ vnd hatt gebautd) / Lermoß, sambt seiner liebe haußfraw [Mari]ae) [– – –] mef)[...] II. · 16g) · 26h) · // Gott dem Almechtige(n) seiner Liebe [Muetter Mariae]i) auch S(anct) Seba=/stian(us) Vnd S(anct) Rochus. Zu lob Vnd Ehr hat der Ehrnhafft fro/nimej) Jörg Ketter Von Reitte der Zeit Kamer Richter des wirdige / Gotshaus Etal, sambt seiner libe Hausfrauk) [– – –] / [.....]d[.] alhero malle(n) lasse(n)l)

Anmerkungen
a) folgt rosettenförmiges Trennzeichen; Jz. auf der oberen Rahmenleiste, möglicherweise verrestauriert.
b) folgt Text des darunter liegenden Inschriftenfeldes.
c) an das n ist eine Zierschlinge in Form eines s angefügt worden; ursprünglich us-Haken?
d) sic! die letzen beiden Wörter der Z. offensichtlich verrestauriert; ursprünglich wohl: gastgeb zu.
e) von M noch schwache Reste erkennbar; Ergänzung unsicher.
f) e mutmaßlich fälschlich restauriert; danach schwache Reste eines in den Oberlängenbereich ragenden Schaftes sichtbar: l? erg. und korr. analog zu Is. II vielleicht: [Mari]a [das lassen] ma[len].
g) folgt kreuzförmiges Trennzeichen aus Punkt auf der Mittellinie, von dem vier blütenartige Zierlinien in zwei Paaren senkrecht und waagrecht ausgehen; vor und hinter dem Zeichen je vier Punkte auf der Mittellinie; Jz. auf der oberen Rahmenleiste, möglicherweise verrestauriert.
h) folgt Text des darunter liegenden Inschriftenfeldes.
i) nur geringe Buchstabenreste an der Unterlinie erhalten; erg. analog zu Is. I.
j) sic! wohl fälschlich restauriert für fürneme.
k) Rest der Z. heute leer.
l) folgt ein vegetabiles Füllzeichen.

Kommentar

Inschrift I deutet augenscheinlich als Terminus ante quem auf die Erbauung der Kapelle vor bzw. im Jahr 1610 hin. Anlass für die Errichtung war – wie das Patrozinium der Hll. Sebastian und Rochus zeigt – die Furcht vor der immer wieder auftretenden Pest, die zu dieser Zeit in der Gegend von Biberwier erneut ausgebrochen war. Die Kapelle, deren Altar zu 1618 datiert (Kat.-Nr. 324), wurde jedoch erst 1625 geweiht1) (vgl. auch Kat.-Nr. 331), was in Verein mit der Tatsache, dass die völlig gleichartig gestaltete Wandmalerei an der Gegenüberwand zu 1626 datiert ist, Zweifel aufkommen lässt, dass die Jahreszahl 1610 dem Originalbestand entspricht; vielleicht hatte die Jahreszahl ursprünglich auch 1626 gelautet, zumal offenbar auch beide Malereien auf die ebenfalls zu 1625 datierten Konsekrationskreuze Rücksicht nehmen. In jedem Fall ist auch in Biberwier der schon in Obsaurs (vgl. Kat.-Nrr. 213 und 241) beschriebene Sachverhalt zu beobachten, dass für die durch ein Gesamtkonzept festgelegten und wohl auch gleichzeitig ausgeführten Einzelszenen der malerischen Ausstattung der Kirche offenbar nachträglich Stifter gesucht wurden.

Die beiden Inschriften nennen den Lermooser Wirt Thomas Täsch und den Reuttener Jörg Ketter, der als Kammerrichter des Stifts Ettal bezeichnet wird. Gerade die enge Beziehung der Familie Täsch zur Rochuskapelle lässt sich auch an weiteren Mitgliedern der Familie festmachen; so stiftete hier der Richter von Ehrenberg, Josef Täsch, 1622 (?) einen Jahrtag2).

1) Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 5, 422 und 436. Vgl. Hochenegg, Kirchen 240.
2) Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 5, 436 und Ammann, Oberland 100. Josef Täsch und seine Frau Rosina geb. Zor, werden auch in einer Urkunde von 1624 aus dem Drei Mohren Archiv in Lermoos genannt; dort wird Josef als Richter von Ehrenberg und Besitzer eines Wirtshauses bezeichnet; Moser, Drei Mohren Archiv 3.
Literatur

Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 5, 422 und 436f. – Hochenegg, Kirchen 240. – Ammann, Oberland 100f. – Dehio Tirol 196. – Schumacher, Rochuskapelle (TKK).



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 321,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/reutte/tirol-1-obj321.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 195: Stifterinschrift (1610?)
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Werner Köfler, Romedio Schmitz-Esser)