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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Reutte

329 Biberwier, Kapelle Hl. Rochus 1625, 1634, 1638, 1640 (?)

Graffiti (historische Nachricht, Spruchinschrift und belehrende Inschrift, Namensinschriften und Jahreszahlen), Rötelstift, auf der Hinterseite des Hochaltares (Kat.-Nr. 324) angebracht. An der rechten Kante der rückseitigen Verschalung des Schreins ist ein senkrechtes, weiß getünchtes Brett aus Lärchenholz mit sechs untereinander angeordneten Inschriften versehen. Dabei wird die links von einem jüngeren Brett geringfügig überdeckte oberste in den Bearbeitungszeitraum fallende, schwer lesbare zehnzeilige Inschrift (I) von der darunter liegenden zweizeiligen Inschrift (II) durch einen waagrechten Strich getrennt. Direkt anschließend an die zweite Inschrift folgt die einzeilige dritte (III); die einzeilige vierte wahrt einigen Abstand (IV) und wird von den Oberlängen der ersten Zeile der darunter liegenden achtzeiligen fünften Inschrift teilweise gestört (V). An die fünfte schließt unten unmittelbar die zweizeilige sechste Schriftäußerung an (VI). An der Rückseite des linken Volutenrahmens der Predella zwei weitere Graffiti (oben VII, unten VIII). Auf der gesamten Rückwand des Altars befinden sich weitere Graffiti des 18. und 19. Jahrhunderts.

Bu. 2–3 cm. – Deutsche Schreibschrift (Kurrent).


Textedition
			

I. Den 4 May Ano 1640 / [ J]ara) hat manb) den Thurn Pey den / [e]rwirdigen gots haus der / weg(en) zwen feurn got g[....] / [v]erprendt darzue destes gli[ck]/lich volgenndts Erpauet / heilund wax Kherzl / feur [....]inisch[...] / 1 Jar Steckh(en) Kher[zl] /1 Per[...] II. Peter Raith zu / Biberwier 1638 III. Sebastian Hezer (16)40c) IV. Johanns höllerstainer V. Hanns Leutl / von Jnnsprugg / der zeiten des / Ernbergischen / Gerichtschreiber / an S(ant) Johans des / Tauferstag im / 1625 VI. Madalena / Zözin Vo[n] [.....] VII. 1625 / Georg Prennigath vndt / Sabina Finkhin Sein haußfr[aw] / Von Naser[ei]t Jch Leb und wais nit / wie Lang VIII. 1634 / O Mensch gedenkh [– – –] / ding in Allen weg[– – –] / so wierst du nit [....] / Sindtig dan des / Leben [– – –]

Anmerkungen
a) Anfangsbuchstabe von jüngerem Brett teilweise überdeckt.
b) Bestand: hatman.
c) oder (16)70?.

Datum: 1625 Juni 24.


Kommentar

Bei diesen Rötelinschriften aus den 1620er bis 1640er Jahren handelt es sich um Namensnennungen, wie wir sie im Oberland mehrfach an Altären und im Chorbereich vorfinden1) (vgl. etwa Kat.-Nr. 266). Bei den hier genannten Peter Raith, Sebastian Hezer und Johannes Höllersteiner handelt es sich offenbar um Personen aus Biberwier selbst oder aus dessen Umgebung. Weiters erfahren wir vom Innsbrucker Hans Leutl, er sei Gerichtsschreiber im Gericht Ehrenberg gewesen (V). Der aus Nassereith stammende Georg Prennigath könnte angesichts seines ungewöhnlichen Familiennamens mit den 1608 als Bauherr eines Hauses in Ötz auftretenden Adam Prenergade (s. Kat.-Nr. 76) verwandt, mutmaßlich dessen Sohn sein. Moralisierende Sprüche, wie sie als Incipit eines bereits um 1500 weit verbreiteten Spruchs (Variationen des Grundschemas: Ich leb und weiß nit wie lang, ich stirb und weiß nit, wann, ich fahr und weiß nit wohin, mich wundert, dass ich fröhlich bin) in Inschrift VII oder in der nur mehr fragmentarisch lesbaren Inschrift VIII greifbar sind, kommen unter den Graffiti des Bearbeitungsgebiets häufig vor (vgl. etwa Kat.-Nr. 229). Besonders bemerkenswert für die Baugeschichte der Rochuskapelle ist der in Inschrift I gegebene Hinweis eines Unbekannten auf eine bauliche Veränderung bzw. einen Neubau des Turmes zum 4. Mai 1640. Leider lässt die sehr schwer lesbare Inschrift eine genauere Deutung nicht zu. Tatsächlich steht der Turm über Baufuge am älteren Chor an.

1) Vgl. dazu Einleitung Kap. 6.5.

Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 329,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/reutte/tirol-1-obj329.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 197: Graffiti (1625 u. a.)
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Werner Köfler)