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Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten

Politischer Bezirk St. Veit an der Glan

5. Die Schriftformen

5.1. Romanische und Gotische Majuskel

Es ist für die Geschichte des Bezirkes St. Veit an der Glan bezeichnend, dass die ersten überlieferten Inschriften mit dem Gurker Dom bzw. dem 1072 gegründeten Bistum Gurk in Zusammenhang stehen. Drei Standorte sind hier vorrangig hervorzuheben: Die Stadt Friesach mit dem romanischen Bergfried der Salzburger Erzbischöfe, der unter dem Gurker Bischof Roman I. (1131–1167) begonnene Gurker Dombau und die ebenfalls vom gleichen Bischof errichtete Burg Straßburg, die schließlich zum Residenzschloss der Gurker Bischöfe wurde. In das 12. Jahrhundert fallen sechs Inschriftenträger mit romanischer Majuskelbeschriftung: Das Tympanon des Gurker Domes (Kat.-Nr. 1), das Romanusfresko im Bergfried zu Friesach (Kat.-Nr. 2), eine Bauinschrift an der Südseite des Gurker Domes (Kat.-Nr. 4), die berühmte Magdalenenscheibe aus Weitensfeld (Kat.-Nr. 3), ein Grabplattenfragment in Gurk (Kat.-Nr. 5) und eine Wandmalerei in der Deutschordenskirche in Friesach (Kat.-Nr. 6). Als erster hat sich Walter Koch inschriftenpaläographisch mit diesen frühen Schriftdenkmälern auseinandergesetzt305. Diese Inschriftenträger sind noch mit der durch die Kapitalis beherrschten romanischen Majuskelschrift beschrieben. Charakteristisch ist zunehmend das trapezförmige A, welches neben dem kapitalen A in Form eines schmalen symmetrischen Dreiecks mit Deckstrich und der unzialen Form (mit und ohne Mittelbalken) vorkommt. Ferner ist hier schon ein Wechsel von Haar- und Schattenstrichen vermehrt feststellbar, zumindest bei den gemalten Inschriften306. Bei der Wandmalerei (vgl. etwa Kat.-Nr. 6) wird E kapital wie auch unzial „gleichberechtigt“ nebeneinander verwendet, es erscheint auch schon mittels eines senkrechten Haarstriches geschlossen307. Das C ist noch offen. Für das 13. Jahrhundert sind immerhin schon 20 Belege vorhanden, einer davon nicht mehr im Original erhalten (Kat.-Nr. 7†). In romanischer Majuskelschrift sind fünf Inschriftenträger beschriftet, alle in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts fallend (Gedenkstein des Gurker Bischofs Walther von Vatz 1200–1213 in der Stadtmauer von Straßburg, Kat.-Nr. 8; das Tympanon des Westportales der Stadtpfarrkirche in St. Veit, Kat.-Nr. 9; die Wappengrabplatte eines Christian „Urs et Rotenberg“ aus 1231 in Friesach, Kat.-Nr. 10; eine Wandmalerei in der Deutschordenskirche in Friesach, Kat.-Nr. 11; der Stifterstein aus dem ehemaligen Benediktiner­innenstift von St. Georgen am Längsee, Kat.-Nr. 12).

Die Übergangszeit von der Romanischen zur Gotischen Majuskel ist in diesem Kärntner Bearbeitungsgebiet etwa in die Mitte des 13. Jahrhunderts zu legen. Der Übergang zur Gotischen Majuskel308 wird nicht nur vom Eindringen unzialer Formen allein geprägt, sondern vielmehr durch die Eigenbehandlung fast jedes Buchstabens mit Ausrundungen, mit Abschluss-Strichen, mit Betonung der Schwellungen und der Bögen, mit der keilförmigen Verdickung der Hastenenden und mit anderen Zierelementen. Diese Zäsur zwischen Romanischer und Gotischer Majuskel wird besonders deutlich in der Beschriftung und Datierung der Bemalung der Westempore des Gurker Domes (Kat.-Nr. 14). An diesem Beispiel lassen sich sowohl baugeschichtlich wie auch paläographisch wertvolle Erkenntnisse gewinnen. Die erste Ausmalung der Westempore datiert in die Zeit um 1220, diese wurde allerdings durch Brände in den Jahren 1247 bis 1252 zerstört. In den folgenden Jahren erfolgte eine neuerliche Ausmalung der Bischofskapelle, wobei die wesentliche Vorlage die erste Freskenfolge war. Die zweite Weihe der Bischofskapelle erfolgte am 16. August 1264 durch Bischof Dietrich II. Diese Neuweihe bezog sich auf die Wiederherstellung der Kapelle und der Fresken nach den erwähnten Brandschäden. Vom Bildinhalt hat sich nicht viel verändert, die Schriftform der Schriftfelder und Schriftbänder aber wurde der Zeit um 1260/64 angepasst und zeigt bereits eine Gotische Majuskel309. Sie ist bereits stark aufgelockert. Die Schriftbänder und Rahmenbezeichnungen wirken fast ornamental und als optische Ergänzung zur Bildgestaltung. Es ist dies neben der Textvermittlung biblischer Vorlagen eine weitere Möglichkeit, sicherlich auch bewusst beabsichtigt, die Schrift in Duktus und Ausführung dem Bild anzupassen. Denn die Schrift hat hier nicht zuletzt die Funktion eines dekorativen Elements und weniger die eines Informationsträgers, um so mehr, als außer den gebildeten Geistlichen nur ganz wenige Menschen dieser Zeit in der Lange waren, diese auch zu lesen und das Lateinische zu verstehen.

Acht Inschriften dokumentieren bereits die ausgeprägte Gotische Majuskel im 13. Jahrhundert. Die erste erhaltene Bischofsgrabplatte, jene für Dietrich II. von Marburg (Kat.-Nr. 16), ist in einer Gotischen Majuskel beschriftet, die aber noch Anklänge der spätromanischen linearen Schreibweise erkennen lassen310. Auch der Türflügel aus dem Dominikanerkloster in Friesach, heute im steirischen Landesmuseum Joanneum, der die nahezu lebensgroße Frontalfigur des hl. Nikolaus um 1280/90 zeigt (Kat.-Nr. 19), steht in einer Gotischen Majuskel, die noch offenes C aufweist. Die Wappengrabplatte des Gottfried von Trixen aus dem Jahre 1284 gehört inschriftenpaläographisch in die Zeit der ausgeprägten Gotischen Majuskel (Kat.-Nr. 18), ebenso die Scheibenkreuzgrabplatte des Uolbrecht von Liebenberg (Kat.-Nr. 22), das Portatile aus Deinsberg (Kat.-Nr. 23) und zwei Wandgemälde (Kat.-Nrr. 20, 21). Genau am Übergang vom 13. in das 14. Jahrhundert ist eine Gedenkinschrift außen an der Südwand des Südturmes in Gurk anzusetzen (Kat.-Nr. 24)311.

Im 14. Jahrhundert setzen sich in Kärnten die Tendenzen fort zur breiteren Form der Gotischen Majuskel, zur flächigen Darstellung der Buchstaben, zu geschlossenem C und E, zum Wechsel vom kapitalen, meist trapezförmigen A vornehmlich zum pseudounzialen A. Zu dieser von Steinmetz zu Steinmetz oft unterschiedlichen Ausformung von Einzelbuchstaben in ihren typischen Konturen kommt aber auch die konservative Tradition, bestimmte Buchstaben lange nur in kapitalen Formen zu verwenden, so etwa bei A, E, H, M, N, T und V. Zur Formensprache der Spätzeit der Gotischen Majuskel gehört dann auch die Veränderung des Verhältnisses von Höhe und Breite der Buchstaben, welches sich letztlich fast zu einem Maßstab von 2:1 verschiebt. Naturgemäß nimmt die gotische Majuskel­beschriftung im 14. Jahrhundert derart zu, dass sie das epigraphische Geschehen zunächst bestimmt – auf verschiedene Inschriftenträger verteilt, die überwiegend noch im Original vorhanden sind: Von neun Glocken sind drei nur kopial überliefert, dazu kommen acht Grabdenkmäler, fünf Wappen- oder Reliefsteine, acht Wandgemälde, drei Glasmalereien und ein Reliquiar. Die Glocke von Deinsberg (Kat.-Nr. 25) trägt typische Majuskelformen der Zeit um 1300: kapital sind A, E, H; A und E kommen auch unzial vor, unziale (runde) Formen haben daneben auch D und N. C erscheint offen und mehrfach auch geschlossen. Die Zierelemente sind stark vertreten, es finden sich knopfförmige Verzierungen, gekrümmte Linien und Schattenstriche. Die Fuß-, Kopf- und Schluss-Striche sind durchaus schon ornamenthaft gebildet. Der Zug zum Dekorativen nimmt zu.

So sehr die gotische Majuskelschrift das 14. Jahrhundert dominiert hat, ebenso rasch wird sie dann um die Wende zum 15. Jahrhundert von der Gotischen Minuskel verdrängt. Nur zwei Originalbelege aus dem frühen 15. Jahrhundert sind vorhanden, eine Wappengrabplatte aus 1405 in Gurk (Kat.-Nr. 76) und eine Glocke aus der Zeit vor 1435 in Wieting (Kat.-Nr. 97). Das Gießerzeichen auf dieser Glocke gehört dem Friesacher Glockengießer Rupert Dringer, der dort in den Jahren von 1435 bis 1464 nachzuweisen ist312. Seine Glocken sind durchwegs mit Jahreszahlen versehen, nicht aber diese in Wieting. Es handelt sich hier um eine sehr frühe Arbeit dieses Meisters, darauf weist nicht nur die Verwendung von gotischen Majuskelformen aus der Zeit um die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts hin. Alle anderen Glocken, die sich in Kärnten von Meister Dringer erhalten haben, sind mit gotischen Minuskelbuchstaben beschriftet. Es kann sich daher hier um sein ältestes erhaltenes Werkstück handeln, bei dem er noch auf den in seiner Werkstätte vorhandenen Formenbestand an gotischen Majuskelbuchstaben zurückgegriffen hat.

Die generelle Aufgabe der Gotischen Majuskel zu Beginn des 15. Jahrhunderts bedeutet aber nicht das völlige Verschwinden dieser Schrift, die nach wie vor als „Traditionsschrift“ weiter lebt, und zwar als Versalien in der Minuskelschrift. Besonders der Buchstabe A hat, eingebunden in die Datierungsformel (beim Wort Anno), noch länger überlebt.

305 Koch, Inschriftenpaläographie Kärntens 115f. – Siehe auch Walter Koch, Auf dem Wege zur Gotischen Majuskel – Anmerkungen zur epigraphischen Schrift in romanischer Zeit, in: Inschrift und Material, Inschrift und Buchschrift. Fachtagung für mittelalterliche und neuzeitliche Epigraphik Ingolstadt 1997, hgg. Walter Koch und Christine Steininger (Bayerische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist.Kl. Abhandlungen N.F. 117) München 1999, 225–247.
306 Koch, Inschriftenpaläographie Kärntens 130.
307 Walter Koch, Paläographie der Inschriften österreichischer Fresken bis 1350, in: MIÖG 77 (1969) 1–42, hier 10, 32.
308 Kloos, Einführung 130.
309 Ginhart/Grimschitz, Gurk 86, 89. – Koch, Inschriftenpaläographie Kärntens 137.
310 Koch, Inschriftenpaläographie Kärntens 138f., Abb. 17.
311 Camillo Sitte, Über die Erhaltung des Gurker Domes und dessen Malereien, in: MZK NF 18 (1892) 53–56, 75–80, bes. 80. – Koch, Inschriftenpaläographie Kärntens 121 (Anm. 14).
312 P. Augustin Jungwirth OSB, Glockenkunde von Kärnten, maschinschriftl. Manuskript, Klagenfurt 1938, 164. – Andreas Weiszenbäck / Josef Pfundner, Tönendes Erz. Die abendländische Glocke als Toninstrument und die historischen Glocken in Österreich, Graz-Köln 1961, 155, 246 (1), 306.

5.2. Gotische Minuskel

Erste vereinzelte Belege für die Gotische Minuskel finden sich noch im Umfeld der gotischen Majuskelschrift und zwar bei gemalten Inschriften. Ein Wandgemälde in der Kirche zu Metnitz (1337) ist denn auch der erste inschriftliche Beleg für die gotische Minuskelschrift (Kat.-Nr. 42). Die Versalien sind der Gotischen Majuskel entnommen. Dass sich diese Auszeichnung innerhalb der Minuskelschrift um die Mitte des 14. Jahrhunderts schon durchgesetzt hat, belegen die Beschriftungen innerhalb der Wandmalereien in der Vorhalle des Gurker Domes um 1340 mit Darstellungen der Bildszenen aus dem Alten Testament auf der Westwand und auf der Nordwand, auf der Südseite mit Szenen aus dem Neuen Testament (Kat.-Nr. 45). Auch hier sind die Anfangsbuchstaben zumeist in gotischer Majuskelform geschrieben. Alfred Schnerich hat sich erstmals inschriftenpaläographisch mit diesen Inschriften beschäftigt und festgestellt: „Die Inschriften möchten beim ersten Anblick fast für spätere Zeit sprechen. Wir finden bereits durchwegs die Minuskel angewendet, und zwar mit ziemlich stark gebrochenen Schäften. .... Die großen Buchstaben zu Anfang eines Satzes sind noch sehr unregelmäßig gebildet, die I-Striche kommen nur zur Unterscheidung mehrerer gleichartiger Schäfte vor, U-Striche und I-Punkte fehlen noch gänzlich; wir werden sie am Fastentuch (vgl. Kat.-Nr. 133) finden“313. Die Verwendung der Minuskel vorerst auf Wandgemälden entspricht einer kongruenten Übertragung der mittelalterlichen Textura314, wobei nach dem Übergang vom Zweilinienschema das typische Vierliniensystem bei gemalten Inschriften leichter umzusetzen war als dann bei Inschriften auf Stein315. Da die Majuskel noch bis in das ausgehende 14. Jahrhundert dominierend aufscheint, war die Verwendung der Minuskel eher zögernd und erfolgte auch hinsichtlich der einzelnen Inschriftenträger erst schrittweise. Im ausgehenden 14. Jahrhundert erfolgte der zögerliche Übergang von der späten Gotischen Majuskel zu der aus der Textura entstandenen gotischen Minuskelschrift.

Im 14. Jahrhundert sind sieben Wandmalereien316 mit gotischer Minuskelbeschriftung vorhanden (Kat.-Nrr. 42, 45, 59, 60, 61, 62, 64); eine figurale Grabplatte mit gotischer Minuskelschrift stammt aus dem Jahre 1363 (Kat.-Nr. 58), die erste Wappengrabplatte aus 1391 (Kat.-Nr. 63), eine Tumbengrabplatte von knapp vor 1400 (Kat.-Nr. 71) und schließlich eine Grabplatte in Friesach aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts (Kat.-Nr. 66). Bei einigen dieser Inschriftenträger werden gotische Majuskelbuchstaben als Versalien verwendet.

Im 15. Jahrhundert wird die Gotische Minuskel in Kärnten endgültig zur dominierenden Schriftform. Von den aus diesem Zeitraum stammenden insgesamt 119 Inschriften haben sich 94 (79%) im Original erhalten. 30 Belege betreffen Wandmalereien, 35 betreffen Grabdenkmäler, 16 sind auf Glocken festgehalten; dazu kommen noch ein Wandteppich (Kat.-Nr. 140), ein Fastentuch (Kat.-Nr. 133). Daneben gibt es noch verschiedene andere Inschriftenträger.

Die älteste Glocke mit Gotischer Minuskel im Bearbeitungsgebiet aus dem Jahr 1404 (Kat.-Nr. 75†) hat sich nicht erhalten, wohl aber eine 1406 für die Kirche in Dobritsch gegossene Glocke (Kat.-Nr. 77). Die Schriftformen dieser Glocke haben sich in einer langen Tradition fast ein Jahrhundert nahezu unverändert erhalten. Die Wappengrabplatte des Heinrich von Silberberg (Kat.-Nr. 85) im Dominikanerkloster aus dem Jahre 1416 ist zwar im Original erhalten, ist derzeit aber am Standort nur mit großen Einschränkungen zu beschreiben, da der Aufstellungsort im Kreuzgang als Werkstätte verwendet wird. Aus dem Jahr 1422 stammt die Grabplatte des Kanonikers Briccius Paumgartinger in der Stadtpfarrkirche St. Bartholomäus in Friesach: Hier ist neben dem A bei Anno auch das M für M(illesim)o als Versal geschrieben (Kat.-Nr. 88).

Die Minuskelschrift verlangt vom Steinmetzen durch die zahlreichen Schaftbrechungen ein besonderes Formgefühl und künstlerische Fertigkeit. Dies erhöht bei erhaben gearbeiteten Techniken den Schwierigkeitsgrad der Schriftgestaltung noch wesentlich. Die dabei reliefartig aus dem Stein herausgeschlagenen Buchstaben verlangen eine besondere Exaktheit bei der Gestaltung der Schaftstriche mit Betonung der Ober- und Unterlängen innerhalb des Liniensystems und geben dem Schriftbild zunehmend ein enges und zusammengeschobenes Aussehen. Die Gliederung des Textes erfolgt durch die Wortzwischenräume, durch Spationierungen und durch deutlichere Betonungen der Oberlängen317. Erhaben gearbeitet ist die Beschriftung bei der Tumbengrabplatte des Konrad von Kraig von knapp vor 1400 (Kat.-Nr. 71), aber auch bei der figuralen Doppelgrabplatte (Kat.-Nr. 156) der Gurker Bischöfe Johann V. Schallermann (1433–1453) und Ulrich III. Sonnenberger (1453–1469), deren Beschriftung sich durch die schöne erhabene Schrift mit einer ausgewogenen Raumeinteilung besonders auszeichnet318. Bei der Mehrzahl der Beschriftungen auf Steinen handelt es sich um eingetiefte Schreibungen, die bei Beachtung von Linienführung, Präzision und Proportion auf geschulte Meister mit entsprechenden Vorlagen schließen lassen. Es finden sich aber auch ungelenke Schriften, die keine Werkstättentradition erkennen lassen.

Für das 15. Jahrhundert ist es, wie bereits erwähnt, vielfach üblich319, gotische Majuskelbuchstaben als Versalien zu verwenden. Dies betrifft naturgemäß das pseudounziale A, welches besonders oft im Wort Anno in dekorativer Form Anwendung findet.

Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts dominiert im Bezirk St. Veit die Gotische Minuskel mit 79 Belegen, davon neun nicht mehr im Original erhalten, gegenüber der erst seit etwa 1515/1516 auftretenden Kapitalis der Renaissancezeit mit 46 Belegen. Erst um 1530 wird die Kapitalis häufiger und übernimmt um 1550 dann die Oberhand. Die Gotische Minuskel findet sich auch noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, wird aber immer seltener und im Bereich der Minuskelschriften allmählich von der Fraktur verdrängt. In dieser Spätphase der gotischen Minuskelschrift ändert sich das Erscheinungsbild immer augenscheinlicher: Der gitterartige Duktus verschwindet weitestgehend, die Schäfte werden immer undeutlicher gebrochen und erscheinen verschliffen, die Buchstaben c, p und s werden zunehmend runder.

Trotz mehrerer städtischer Zentren mit ausgeprägten Werkstätten lässt sich für die Gotische Minuskel in Kärnten keine lokale Steinmetzwerkstatt feststellen. Der Einfluss salzburgischer Künstler und Steinmetzmeister ist in Friesach und Gurk stärker, in St. Veit wirkten landesfürstliche Meister sowie später in Klagenfurt landständische Bild- und Steinhauer (vgl. Martin Pacobello)320.

313 Schnerich, Dom zu Gurk 68f.
314 Bernhard Bischoff, Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters. (Grundlagen der Germanistik 24) 2. überarb. Auflage Berlin 1986, 163–174.
315 Vgl. Renate Neumüllers-Klauser, Schrift und Sprache in Bau- und Künstlerinschriften, in: Deutsche Inschriften. Fachtagung für mittelalterliche und neuzeitliche Epigraphik, Lüneburg 1984. Vorträge und Berichte, hg. von Karl Stackmann (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, philol.-hist.Kl. 3.F. 151), Göttingen 1986, 62–81.
316 Das häufige Vorkommen der Minuskel bei Wandmalereien wäre für eine schriftgeschichtliche Auswertung besonders geeignet, man wird aber infolge oftmaliger späterer Überarbeitungen besondere Vorsicht walten lassen müssen.
317 Kloos, Einführung 54.
318 Fuchs, Schallermann 143f., Abb. 1.
319 Kloos, Einführung 137. – Teilweise regional relativiert durch Neumüllers-Klauser, Schrift und Sprache 70.
320 Günther Herrmann Neckheim, Der Bildhauer Martin Pacobello, in: Car. I 147 (1957) 594–409, bes. 598f.

5.3. Frühhumanistische Kapitalis

Die Frühhumanistische Kapitalis findet sich als epigraphische Schrift im 15. und 16. Jahrhundert, die bewusst als Gegenpol zur schwerer lesbaren Gotische Minuskel zu sehen ist321. Die Majuskelschrift des 14. Jahrhunderts bleibt als Traditionsschrift noch vorhanden, so vor allem bei Glockeninschriften, aber auch als Versalform. Die Kapitalis wird im St. Veiter Raum erst ab dem zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts verwendet. Die damit entstehende Lücke im monumentalen Schreiben in Abgrenzung gegenüber der Gotische Minuskel füllt daher die Frühhumanistische Kapitalis322.

Das älteste Beispiel einer frühen Form der Frühhumanistischen Kapitalis ist eine Gedenkinschrift außen an der Südwand der Pfarrkirche St. Nikolaus in Straßburg aus dem Jahre 1454 (Kat.-Nr. 131). Das nächste Auftreten dieser Schriftform ist auch mit einer dekorativen und ikonographisch interessanten Gestaltung verbunden: Die Tafelmalerei eines dem hl. Vitus geweihten Altares um 1470 (Kat.-Nr. 158), der sich heute im Landemuseum Kärnten befindet, ursprünglich aber in der Bürgerspitalskirche in St. Veit aufgestellt war. Die Bildfolge der acht Tafeln zeigt – nach der Legenda aurea323 – Szenen aus dem Leben des hl. Vitus324. Dabei tragen die verschiedenen Personen Gewänder, deren Kleidersaum mit Buchstaben geschmückt ist. Es handelt sich bei diesen beiden Denkmälern um frühe Beispiele einer Frühhumanistischen Kapitalis, die im Kärntner Raum sonst erst etwa ab 1515/1520 vorkommt. Bestimmend sind in letzterem Beispiel Formen des A, H, des immer spiegelverkehrt gemalten N, des M und W. Dass das frühe Auftreten der Frühhumanistischen Kapitalis vielfach mit gemalten oder auch geschnitzten Inschriften in Verbindung steht, zeigt die besondere Vorliebe für eine Verwendung dieser meist sehr dekorativen Schrift im kunsthandwerklichen Bereich.

Aus dem Jahr 1497 stammt eine Wappengrabplatte aus porösem Kalkstein eines Wilhelm N., die sich heute an der Nordwand des Lapidariums auf Schloss Straßburg befindet (Kat.-Nr. 182). Auf einer Rahmenleiste sind Reste einer umlaufenden Inschrift in Frühhumanistischer Kapitalis, mit unzialen Formen bei H, E, G. Ein undatierter Reliefstein mit der Darstellung des Gekreuzigten im Karner zu Kraig wirkt wie ein Fragment eines in Stein gehauenen Tabernakels und ist auf Grund der Beschriftung mit Formen der Frühhumanistischen Kapitalis in die frühe Zeit des 16. Jahrhunderts einzuordnen (Kat.-Nr. 231). Die Grabplatte des Ägidius Willoner aus dem Jahr 1506 im Lapidarium auf Schloss Straßburg trägt neben der Hauptbeschriftung in Gotischer Minuskel eine zweite Inschrift, die offensichtlich von zweiter Hand später ohne große Kunstfertigkeit in Frühhumanistischer Kapitalis nachgetragen worden ist (Kat.-Nr. 221). Interessant ist ein Kruzifix an der Nordwand des Chores der Pfarrkirche in Brückl aus der Zeit um 1520 (Kat.-Nr. 275), bei dem der Kreuzestitulus schon dem Schriftcharakter der Kapitalis in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entspricht, durch die zierhaften Sonderformen beim N und X aber im Sinne einer Frühhumanistischen Kapitalis aufzufassen ist: Der Schrägschaft beim N ist verstärkt und in der Mitte ausgebuchtet, beim X ist der Linksschrägschaft geschwungen und der untere Abschnitt verstärkt, der Rechtsschrägschaft ist verstärkt. Als epigraphische Schrift tritt diese Kapitalschrift auch bei der Beschriftung der Kirchenbänke in der Pfarrkirche in Altenmarkt aus dem dritten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts auf, wo die spätgotischen Reliefschnitzereien und Buchstabenornamente an den Docken (Wangen) von vier Bänken Buchstabenformen zeigen, die der Frühhumanistischen Kapitalis zuzuordnen sind und die ohne Auflösung der einfach zusammengestellten Buchstaben als mögliche gekürzte Textformeln nur als zierhafte Ausstattung angesprochen werden können (Kat.-Nr. 331). Die verschlungene Form der Spruchbänder hat damit wohl nur rein dekorative Gründe und auch die Beschriftung mit besonders ornamenthaft wirkenden Majuskelbuchstaben, die dem Formenbestand der Frühhumanistischen Kapitalis angehören. Ein weiteres Beispiel ist hier auch die Kanzel in der Filialkirche St. Johannes in Brenitz-Kleinglödnitz aus dem Jahre 1539, wo die polygonalen Felder mit ornamentaler spätgotischer Flachschnitzerei ausgeführt sind und die am vorderen Feld ein verschlungenes Schriftband eingefügt hat, das mit zierhaften Formen der Frühhumanistische Kapitalis beschriftet ist (Kat.-Nr. 360).

Repräsentativ für die Frühhumanistische Kapitalis sind die Beschriftungen der Tafelmalerei im linken Seitenaltar der Filialkirche St. Peter auf dem Petersberg in Friesach aus dem Jahre 1525. Die heiligen Personen, darstellend die Heilige Sippe, die Verwandtschaft der Maria, tragen alle einen dekorativ gestalteten Nimbus, der jeweils im Sinne einer genealogischen Zuordnung mit den entsprechenden Namensinschriften bezeichnet ist. Die Tafelmalerei steht zeitlich am Übergang von der spätgotischen Zeit in die Frührenaissance und die Beschriftungen sind nicht mehr in Gotischer Minuskel gehalten, sondern in den zierhaften Formen der Frühhumanistischen Kapitalis (Kat.-Nr. 312). Eingebettet in den Nimben verstärkt der kunstvoll-dekorative Charakter der Buchstaben auch den Eindruck des Ornamenthaften bei der Zeichnung der Personen: das A ist trapezförmig und mit einem Deckbalken gemalt, das E erscheint epsilonförmig, das M steht als H mit einer halben Haste in der Mitte. Etwa in die gleiche Zeit fällt eine Holzplastik von einem verloren gegangenen Altarschrein mit der Darstellung der hl. Katharina, heute in der Deutschordenskirche St. Blasius in Friesach, bei der der Mantelsaum durch zierhafte Formen von Beschriftungen dekoriert ist (Kat.-Nr. 304).

Auch auf Wandmalereien dieser Zeit wird diese Schrift mehrfach verwendet, so an der Südwand der Pfarrkirche St. Gotthard in Ingolsthal (Kat.-Nr. 305) oder an der Triumphbogenwand über der rechten Seitenmensa bzw. rechts an der Langhauswand der Filialkirche St. Johannes in Spitalein/Spitzwiesen (Kat.-Nr. 309): Das Fresko über der Mensa zeigt das Martyrium des hl. Andreas, der von den Hll. Sebastian und Katharina begleitet wird, links zu seinen Füßen ist ein kniender Stifter zu sehen, der ein Spruchband in den Händen hält.

Ebenso weisen Glocken in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Beschriftungsformen auf, die dem Formenbestand einer Frühhumanistischen Kapitalis entsprechen: So vermutlich auf der nicht mehr im Original erhaltenen Glocke in Altenmarkt aus dem Jahre 1528 (Kat.-Nr. 327†) und besonders auf einer Glocke des Wolfgang Fiering, der zu der bekannten Völkermarkter Zinn- und Glockengießerfamilie Fiering gehört, im Turm der Pfarrkirche in St. Walburgen aus dem Jahre 1559 (Kat.-Nr. 432). Auch hier kann man schon von einer Traditionsschrift sprechen, da ansonsten die Frühhumanistische Kapitalis um diese Zeit schon längst von der Kapitalis verdrängt wurde: So etwa bei der Majuskelform des A, beim E, das aus zwei Bögen zusammengestellt ist und beim N, dessen Schrägschaft gebaucht ist. Dass diese Schrift des ausgehenden 15. Jahrhunderts und dann besonders der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch weiter nachgewirkt hat, zeigt die Beschriftung der Kanzel mit Schalldeckel in der Filialkirche zu Hausdorf aus dem Jahre 1573, wo innen an der Brüstung eine gemalte Inschrift und daneben eine weitere, allerdings schon sehr stark verschliffene Inschrift in Frühhumanistischer Kapitalis vorhanden ist (Kat.-Nr. 478). Nicht erhalten hat sich eine Glocke aus dem Jahre 1576 in der Filialkirche St. Jakob ob Gurk, gestiftet vom Gurker Dompropst und Weihbischof Karl von Grimming, gegossen vom Völkermarkter Glockengießer Benedikt Fiering (Kat.-Nr. 496†). Der Nachweis für diese Schriftzuordnung – abgesehen von den kopialen Angaben – lässt sich mit einer weiteren Glocke dieses Meisters erbringen, die 1580 von der Äbtissin Affra von Staudach für den Turm der Klosterkirche zu St. Georgen am Längsee in Auftrag gegeben wurde (Kat.-Nr. 515). Auch hier hat sich neben der Gotischen Minuskel als Hauptschrift die Frühhumanistische Kapitalis erhalten, beides bereits tradierte Schriftformen für diese späte Zeit des 16. Jahrhunderts. Auch für die 1585 für Metnitz vermutlich vom gleichen Meister gefertigte Glocke, die sich leider nicht erhalten hat, werden die beiden angeführten Schriftformen anzunehmen sein (Kat.-Nr. 544†). Auch eine heute im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum verwahrte Glocke des Matthias Fiering aus dem Jahre 1595, ursprünglich in der Filialkirche St. Rupert in Dielach, zeigt beide Schriften nebeneinander (Kat.-Nr. 582). Der letzte Nachweis von Elementen der Frühhumanistischen Kapitalis ist im Bearbeitungsgebiet mit einer Glocke aus dem Jahre 1600 in Zwischenwässern gegeben (Kat.-Nr. 603). Es verwundert daher nicht, wenn der letzte Glockengießer dieser Völkermarkter Werkstätte, Georg Fiering, noch 1617 bei der Glocke in Oberhof eine Kapitalis mit Frühhumanistischen Formen verwendet (Kat.-Nr. 644).

Damit ergibt sich für die Schriftform der Frühhumanistischen Kapitalis im Bezirk St. Veit ein nachweisbarer Verwendungszeitraum von 1454 bis in das beginnende 17. Jahrhundert, also mehr als ein Jahrhundert. Es muss damit die Bedeutung dieser dekorativen Schrift für Kärnten relativiert werden: Die Frühhumanistische Kapitalis oder eine Kapitalis mit einzelnen Elementen dieser Schrift wird auf den verschiedensten Inschriftenträgern ausgeführt, von der Tafelmalerei über Gewandsauminschriften bis hin zu Glockeninschriften. Es ist eine neue Form einer besonders dekorativen Kapitalis, die neben der Gotischen Minuskel und auch später der Kapitalis Bedeutung hatte. Der Buchstabenbestand betrifft die unterschiedlichen Schreibungen des A mit breitem Deckbalken und gebrochenem oder linksschrägem Mittelbalken u.a., das offene unziale D, das epsilonförmige E, H mit nach oben ausgebuchtetem Querbalken, der kurze Mittelteil des M oder das byzantinische M, kapitales, häufig retrogrades N, sowie Zierformen bei den Hasten, Bogenenden und Balken wie etwa Ausbuchtungen.

321 Vgl. dazu DI 48 (Stadt Wiener Neustadt) XLVI.
322 Vgl. dazu auch Walter Koch, Das 15. Jahrhundert in der Epigraphik. Die Schriften „zwischen“ Mittelalter und Neuzeit in Italien und nördlich der Alpen, in: Libri, Documenti, Epigrafi Medievali: Possibilità di Studi Comparativi. Atti des Convegno internazionale di studio dell’Associazione Italiana dei Paleografi e Diplomatisti Bari (2.-5. ottobre 2000) hg. von Francesco Magistrale, Corinna Drago und Paolo Fioretti, Spoleto 2002, 587–606, Taf. I–XII.
323 Jakobus de Voragine, Die Legenda aurea des Jacobus de Voragine. Aus dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz, 9. Auflage Heidelberg 1979, 403f.
324 Otto Demus, Die spätgotischen Altäre Kärntens, auf Grund v. Vorarbeiten von Gertraud Müller-Guttenbrunn- Schimke und Elisabeth Herzig-Oberhaidacher, Klagenfurt 1991, 20f. – Janez Höfler, Die Tafelmalerei der Dürerzeit in Kärnten 1500–1530. Klagenfurt 1998, 53f., Nr. 15, Abb. VII–IX, 40–51.

5.4. Kapitalis

Der süddeutsche Raum sowie das südliche Österreich sind naturgemäß stärker geprägt von den Einflüssen aus Italien, und wenn dort die Renaissance bereits um die Mitte des 15. Jahrhunderts in einer Reihe von Fällen weitgehend ausgeprägt ist, muss zumindest für den inneralpinen Bereich Österreichs ein Eindringen dieser neuen Strömungen um fast zwei Generationen später angesetzt werden. Diese zeitliche Verzögerung in der Kunstentwicklung betrifft nicht nur das Kunstschaffen selbst, sondern auch alle anderen, damit in Verbindung stehenden Einflüsse. So wirkt in Kärnten die spätgotische Kunst und Kultur weit bis in das 16. Jahrhundert hinein, die Renaissance- Kultur beginnt erst in den ersten zwei Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts. Dies trifft natürlich auch auf die Schriftentwicklung zu325. Es wird aber schon bei den ersten Beispielen deutlich sichtbar, dass diese Kapitalis kaum oder nur anfangs den klassischen Gegebenheiten entspricht. Dazu kommt, dass sich diese Schriftform dann im Laufe des 16. Jahrhunderts immer weiter von den klassischen Proportionen entfernt und immer mehr als eigenständige und regional unterschiedliche Schrift entwickelt hat. Für die Kapitalis des 16. Jahrhunderts ist es nicht maßgebend, ob die Texte in Latein oder Deutsch verfasst werden, diese Klassifizierung hängt mehr mit dem Stifter oder dem Auftraggeber zusammen und weniger mit der Zeitstellung und der Schriftform: Auch hier bedienen sich geistliche Personen fast ausschließlich der lateinischen Sprache, die Adeligen, Bürger und anderen Personen bevorzugen die deutsche Sprache. Um die Mitte und dann vor allem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wird die Kapitalis immer mehr eingesetzt und übernimmt neben der ab 1550 auftretenden Fraktur das absolute Übergewicht im Schriftgebrauch. Dies trifft auf fast alle Inschriftenträger zu, wird aber besonders im Bereich der Grabmalsplastik dann geradezu zelebriert. Selbst bei Anwendung der Frakturschriften werden Bibelstellen, Sentenzen und Rechtssprüche fast ausschließlich in Kapitalis geschrieben. Die durchwegs sehr schlanke Kapitalis verwendet gerne Nexus litterarum und Abbreviaturen. Der Buchstabenbestand ist „verwandt“ dem klassischen Vorbild, zeigt aber Abweichungen und Besonderheiten: O wird zunehmend immer weniger kreisrund gemeißelt, das M ist oft konisch und mit kurzem Mittelteil ausgestattet, es treten bei R und K oft konvex geformte Cauden auf, manchmal werden die Cauden auch über die untere Zeile hinausgehend gebildet.

Im Bezirk St. Veit an der Glan haben sich insgesamt 258 Inschriften mit Kapitalis erhalten, davon 12 nicht mehr im Original. Dabei fallen zwei bereits in die Zeit vor 1500, 46 Belege sind in der ersten Hälfte und 114 in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nachweisbar; in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist diese Schriftform mit 96 Belegen nach wie vor sehr stark vertreten.

Die erste Inschrift in Kapitalis ist auf einem Wandgemälde im nördlichen Seitenschiff in der Pfarrkirche Hochfeistritz vorhanden, wenn auch nur als Zweitschrift neben der Gotischen Minuskel und beschränkt auf den Kreuzestitulus (Kat.-Nr. 172). Ein Pektorale aus der Zeit um 1500 aus der Pfarrkirche Pisweg, heute im Diözesanmuseum zu Klagenfurt, trägt den kapitalen Buchstaben R (Kat.-Nr. 201). Aus 1516 ist ein Gemälde auf Schloss Karlsberg erhalten (Kat.-Nr. 260), versehen mit den Initialen S B V L für S(IGMVND) B(ERNHARD) V(ON) L(IND). Zwei Inschriften in Friesach nehmen auf den hl. Thomas von Aquin und dessen angeblichen Aufenthalt in dieser Stadt Bezug (Kat.-Nrr. 263, 269). Die erste tatsächlich erhaltene Bauinschrift – auf einem Wappenstein – betrifft das Schloss Frauenstein und die Adelsfamilie der Welzer von Eberstein und bezieht sich auf den Neubau des Schlosses Frauenstein im Jahre 1519 (Kat.-Nr. 270). Aus demselben Jahr stammt ein Taufstein in St. Martin am Silberberg, der kapitale Buchstaben aufweist (Kat.-Nr. 273). In Brückl hat sich in der Pfarrkirche St. Johannes d. T. eine Bauinschrift aus dem Jahre 1521 erhalten, versehen mit dem Maria-Monogramm in Kapitalis (Kat.-Nr. 278), in der Pfarrkirche St. Peter in Taggenbrunn eine weitere Bauinschrift aus dem gleichen Jahr (Kat.-Nr. 283). Zwei Gemälde aus dem Jahr 1524, betreffend Moritz IV. Welzer von Eberstein und seine Ehefrau Maria Tänzl von Tratzberg, befinden sich heute in den Sammlungen der Akademie der Bildenden Künste in Wien und zeigen nahezu kongruente Beschriftungen in Kapitalis (Kat.-Nrr. 298, 299). Eine Gewölbemalerei im südlichen Chorseitenschiff des Gurker Domes, entstanden nach 1525, trägt in den dort eingefügten bemalten Terracottareliefs Heilige mit ihren Namensinschriften, ebenfalls in Kapitalis (Kat.-Nr. 322).

Schon vom Erhaltungszustand ist die Wappengrabplatte des Gurker Dompropstes Sigismund von Feistritz ein besonderes Beispiel für die Verwendung der Kapitalis auf Stein, hier bläulichgrauem Kalkstein mit rötlichen Adern und Sprenkelung. Die Wappengrabplatte wurde auf der Rückseite in Zweitverwendung für den Propst Johann IV. Georg von Miller (1648–1674) als Grabplatte bearbeitet, entstand in ihrer Erstverwendung 1524/1526 und ist durch ein Meister- Monogramm signiert, allerdings ist eine Zuordnung an eine bestimmte Werkstätte nicht möglich (Kat.-Nr. 323). Die eingetiefte Schrift zeigt eine Kapitalis, die für diese Zeit üblich war, aber von der klassischen Kapitalis schon stark abweicht. Das Verhältnis von Höhe zu Breite der Buchstaben ist 2:1, wobei manche Buchstaben sehr schmal und gedrängt, andere wieder breit und flächig ausgeführt sind.

Zwei Wappensteine des Gurker Bischofs Antonius Salamanca-Hoyos von 1533 bzw. 1545 geben eine sehr gut proportionierte Kapitalis wieder (Kat.-Nrr. 339, 370). Die Figurale Grabplatte des Propstes Martin Leittner in der Pfarrkirche zu Brückl aus dem Jahre 1534 zeigt neben der Hauptschrift der Gotischen Minuskel ebenfalls Beschriftungen mit einer Kapitalis (Kat.-Nr. 340). Die Wappengrabplatte aus grauem Marmor des Wolfgang von Erolzheim in Klein St. Paul, ebenfalls aus 1534, ist ein gutes Beispiel eines Grabdenkmales mit Kapitalis (Kat.-Nr. 342), wie dann auch die Grabplatte aus weißem Marmor des Propstes Christoph Pickel in Friesach (Kat.-Nr. 361). Der Aufschwörschild des Hans Michel von Obentraut, heute in der Deutschordenskirche St. Blasius in Friesach aus der Zeit um 1540/1550 stammt ursprünglich nicht aus Kärnten, ist aber von der Schriftform der Zeit gut einzuordnen (Kat.-Nr. 386). Auch Glocken tragen etwa ab 1540 die Kapitalis als Beschriftungsform, so eine Glocke in der Filialkirche zu Nussberg von 1540 (Kat.-Nr. 364). Auch die Wappengrabplatte des Veit I. Welzer von Eberstein aus rotem Marmor im Lapidarium auf Schloss Straßburg aus dem Jahre 1540 hat als dominierende Beschriftungsform noch die Gotische Minuskel mit Versalien, aber versehen mit einem deutschen Reimvers in Kapitalis (Kat.-Nr. 362). Ähnlich wird auch bei der Wappengrabplatte des Marx von Staudach zu Weilern im Dominikanerkloster zu Friesach 1544 neben der Hauptbeschriftung in Gotischer Minuskel die Formel ALL HERNACH IN DER FORCHT GOTT die Kapitalis verwendet (Kat.-Nr. 368).

Ab 1540/1550 wird die Kapitalis allmählich zur dominierenden Schriftform, auf Tafelbildern und Flügelaltären (Kat.-Nrr. 372, 385), auf Grabdenkmälern (Kat.-Nrr. 378†, 381, 383 Thannhausen) und Glasmalereien (Kat.-Nr. 390). Das Epitaph des Gurker Dompropstes Christoph Galler (Kat.-Nr. 381) aus dem Jahre 1549 im Gurker Dom zeigt in einer Schrifttafel eine für die Jahrhundertmitte und für den Bearbeitungsraum typische Kapitalis, mit fast „klassischen“ Buchstabenformen, mit Abbreviaturen, Ligaturen, eingestellten Buchstaben und entsprechenden Kürzungszeichen.

Ein besonders reiches Feld für kapitale Beschriftungen liefern die um 1550 entstandenen Gemälde auf der Burg Hochosterwitz und auf Schloss Niederosterwitz, die aus der Ahnengalerie des Landeshauptmannes Christoph Khevenhüller (1540–1557) stammen, der auch als vermutlicher Auftraggeber dieser Ahnenreihe mit historisierender Darstellung der Vorfahren gilt. Hier ist bei der Mehrzahl der Beschriftungen eine Hand auszumachen und damit auch für die Fertigung der Bilder wohl eine einzige Werkstätte verantwortlich, die nach Vorlagen und Vorgaben diese Ahnengemälde angefertigt hat (vgl. etwa die Kat.-Nrr. 395 bis 408).

Für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts haben sich 114 Inschriften mit Kapitalis überliefert, davon fünf nicht mehr im Original. Dies sind mehr als die Hälfte aller in diesen Zeitraum fallenden Inschriften (170 Belege). Auch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts haben sich mehr kapitale Inschriften erhalten als andere: Von dem gesamten Bestand an 163 Inschriftenträgern sind 96 in Kapitalis gehalten, davon sieben nicht mehr im Original. Von der Sprache her dominieren deutsche Texte gegenüber lateinischen, die wie schon früher vor allem der Geistlichkeit und dem höheren Adel vorbehalten bleiben. Werkstätten und Schrifttraditionen der Kapitalisinschriften sind kaum herauszuarbeiten, zumal in den städtischen Zentren keine dichte Abfolge von Belegen vorhanden ist, im ländlichen Gebiet durch die Streuung der Auftragszentren noch weniger gemeinsame Ansätze gefunden werden können. In der Pfarrkirche in Kraig zeigen die beiden Grabdenkmäler der Elisabeth Gräfin zu Nagarol-Hardegg aus dem Jahr 1575, einmal eine Wappengrabplatte (Kat.-Nr. 486), zum anderen eine einfache Grabplatte (Kat.-Nr. 487), die gleiche Schrift und es kann hier sicher eine Werkstätte angenommen werden. Der Schriftvergleich wird erschwert durch den Erhaltungszustand der beiden Grabdenkmale – die einfache Grabplatte ist stärker abgetreten und die einzelnen Buchstaben damit nicht mehr so konturiert wie bei der Wappengrabplatte, die wohl nur an der Wand gestanden hatte – und auch durch das unterschiedliche Material: So besteht die Grabplatte aus Sandstein, die Wappengrabplatte aber aus weißem Marmor, so dass auch darin ein wesentliches Kriterium für die Erhaltung der Schrift bzw. der einzelnen Buchstaben gegeben ist.

Als einzige gesicherte Werkstatt lässt sich die des landständischen Bildhauers Martin Pacobello326 in Klagenfurt nachweisen, der zwei heute zur Gänze abgetretene und nicht mehr lesbare Wappengrabplatten für die Gurker Dompröpste Karl von Grimming (1611) und Mathias von Staudach (1617), sowie auch eine Grabplatte für einen Chorherren mit Namen Meilensteiner angefertigt hat. Für den Gurker Dompropst und Weihbischof Karl von Grimming (Kat.-Nr. 634) hat er zusätzlich ein Grabdenkmal geschaffen, dessen Beschriftung in Kapitalis erfolgte. Dazu kommen noch drei Kindergrabplatten in St. Veit an der Glan für Nikolaus Platzer (Kat.-Nr. 637) und dessen Halbbruder Hans Platzer (Kat.-Nr. 661). Ebenfalls von diesem Meister könnte die dritte Kindergrabplatte in St. Veit stammen, die einen Christian Schierer (Kat.-Nr. 663) betrifft. Auch bei den drei Kindergrabplatten wurde die Kapitalis verwendet und es lassen sich bei genauerer Untersuchung nahezu gleichformatige Buchstaben, ähnliche Abbreviaturen und Ligaturen feststellen. Auch die Beschriftung des vorerwähnten Grabdenkmals von Grimming gibt im Duktus die von Martin Pacobello verwendete Kapitalschrift wieder, wenn auch noch mit einigen Sonderformen: die Schäfte und Deckstriche sind fast immer mit Sporen versehen: A kommt mit geradem und geknicktem Mitelbalken vor; das C hat einen nach oben gerichteten Zierhaken; das I wird von einem I-Punkt überhöht; H steht mit einem Mittelbalken, der eine Ausbuchtung nach unten hat; das R trägt eine stachelförmige Cauda, die über die untere Zeilenlinie hinabreicht; S hat am oberen Ende einen aufgesetzten Zierhaken; beim V ist manchmal der rechte Schrägschaft leicht nach außen gebogen. Als Kürzungszeichen wird ein gerader waagrechter Strich über dem Buchstaben verwendet; Abbreviaturen, die mit Doppelpunkt und manchmal auch mit hochgestelltem, kleinem Buchstaben angezeigt werden, kommen ebenso vor wie zahlreiche Nexus Litterarum: AE, AV, ME, MM, MV, NE, NV, TE, THE, TVD, VR.

Im ausgehenden zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts werden in ländlichen Gebieten die kapitalen Buchstaben oft recht grob und breit gemeißelt und ergeben insgesamt ein eher unruhiges, wenig ansprechendes Schriftbild. Dies trifft etwa bei der Wappengrabplatte des Jakob Hochkofler in Kraig aus dem Jahre 1642 (Kat.-Nr. 725), bei der Wappengrabplatte der Gertraud Mazigon von Grünwald in der Pfarrkirche St. Peter bei Taggenbrunn aus 1647 (Kat.-Nr. 747), und auch bei der Wappengrabplatte des Hans Anton Eisenhiert in der Pfarrkirche zu Kraig aus dem Jahre 1648 (Kat.-Nr. 751) zu.

325 Franz-Albrecht Bornschlegel, Die frühe Renaissance-Kapitalis in Augsburg, in: Epigraphik 1988. Fachtagung für mittelalterliche und neuzeitliche Epigraphik, Graz, 10.-14. Mai 1988. Referate und Roundtable- Gespräche, hg. von Walter Koch. (Denkschr. Öst. Ak. Phil.-hist.Kl. 213 = Veröffentlichungen d. Komm. f. d. Herausgabe d. Inschriften d. Dt. Mittelalters 2) Wien 1990, 217–225.
326 Neckheim, Martin Pacobello 598f. – Vgl. dazu auch Helfried Valentinitsch, Der Bildhauer Philibert Pocabello und die steirische Sepulkralplastik um 1600, in: Alte und moderne Kunst, 26/176 (1981).

5.5. Fraktur

Allein die statistische Aufstellung der Inschriften mit Frakturschrift zeigt ein anschauliches Bild der Entwicklung dieser Schriftart im Bearbeitungsgebiet. Ist aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts nur ein Beleg vorhanden, nimmt die Zahl der Frakturbeschriftungen in der zweiten Hälfte auf 22 (davon eine nur mehr kopial) zu und hat dann in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts 33 Belege (davon zwei nicht mehr im Original vorhanden) aufzuweisen. Es sind dies Zahlen, die zwar eine gewisse Präferenz für diese Schriftform erkennen lassen, aber auch zeigen, dass sich die Fraktur weder im 16. Jahrhundert neben der Gotischen Minuskel behaupten kann, noch in der zweiten Hälfte des 16. und auch nicht in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gegen die Kapitalis durchsetzen kann (vgl. dazu die Tabelle 1: Die chronologische Verteilung der Schriftformen, S. XVII). Erstmals treten einzelne Buchstaben dieser Schrift in Form von Frakturversalien im Jahre 1521 (Kat.-Nr. 284) auf. Durchgesetzt hat sich die Frakturschrift aber in dieser Zeit nicht wirklich. Gelegentlich werden nur einzelne Elemente der Fraktur im Rahmen der Gotischen Minuskel verwendet (vgl. Kat.-Nrr. 357, 422). Die Frakturversalien in der Gotischen Minuskel sind dann um die Mitte des 16. Jahrhunderts schon recht üblich (Kat.-Nrr. 367, 398, 428, 456, 460, 461†). Aber noch knapp vor der Jahrhundertmitte ist erstmals ein Inschriftenträger mit Fraktur in Form einer Glasmalerei aus dem Jahre 1549 auf Schloss Frauenstein (heute Landesmuseum Kärnten) zu verzeichnen (Kat.-Nr. 382). Es folgt 1562 ein Wandgemälde in der Burgkapelle in Eberstein (Kat.- Nr. 438), eine Kanzel von 1573 in Hausdorf (Kat.-Nr. 478), 1575 ein Tafelbild bzw. eine Predellatafel eines Altares oder eines Epitaphs aus Holz in der Apsis der Burgkapelle St. Nikolaus (Kat.- Nr. 483). Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts setzten sich als die typischen Schriften der Spätrenaissance und des Manierismus vor allem die Kapitalis, in bescheidenerem Rahmen dann auch die Fraktur durch. Letztere bleibt aber gegenüber der Kapitalis zahlenmäßig deutlich zurück. Die dominierende Kapitalis hängt naturgemäß sehr stark mit den Renaissancetraditionen zusammen und bedient sich auch gerne der lateinischen Sprache. Deutschsprachige Inschriften sind dem Adel und Bürgertum vorbehalten und werden zumeist in Frakturschrift umgesetzt. Diese Zuteilung wird bestätigt durch die Verwendung von Fraktur und deutscher Sprache für die Grabinschrift, von Kapitalis und der lateinischen Sprache bei hinzugefügten Bibelzitaten. Bemerkenswert ist, dass die Frakturschrift mit Vorliebe bei Epitaphien Anwendung findet. Ein erstes und schönes Beispiel ist das Epitaph aus weißem Solnhofer Schiefer des Onophräus Rainer zum Erb aus dem Jahre 1566 (Kat.-Nr. 451), welches sich innen am südseitigen Pfeiler der Orgelempore der Pfarrkirche in Grades befindet. Die Beschriftung dieses Epitaphs ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil es sich hier um eine der seltenen Steinätzungen in Kärnten handelt327. Diese zierhafte Frakturschrift zeichnet sich durch die Schnörkel an Ober- und Unterlängen und bei der Interpunktion aus und ist erhaben herausgearbeitet. Die Epitaphien in Stein zeichnen sich durch eine sorgfältige Bearbeitung der einzelnen Buchstabenformen aus. Dies betrifft auch die Versalien, mit denen fast jedes Wort beginnt. Die Frakturschrift wird gekennzeichnet durch ihre charakteristischen Merkmale wie einstöckiges a, der Schleife beim s, das leicht ovale o, ausgeprägte Ober- und Unterlängen. Manche Buchstaben haben Schwellschäfte, die über die Unterlinie oft spitz auslaufend gestaltet sind.

Zwei Epitaphien in der Klosterkirche in St. Veit an der Glan lassen eine gemeinsame Werkstatt vermuten, nicht nur auf Grund der künstlerischen Gestaltung der Grabdenkmale mit einem mehrgliedrigen renaissancezeitlichen Aufbau, sondern auch im Hinblick auf die Beschriftung. Ein Epitaph wurde von Hans Deutenhofen für seine Frau Maria, seine beiden Söhne und seine Schwiegermutter in Auftrag gegeben (Kat.-Nr. 518, 1580). Das zweite Epitaph wurde für Hieronymus Söll von Teissegg und seine beiden Ehefrauen Anna Mägerl und Elisabeth Schmel(t)zer 1582 gestiftet (Kat.-Nr. 528). Bei beiden Grabdenkmälern ist als Hauptschrift die Fraktur verwendet, die vom Schriftbild identisch ist und beim zweiten Epitaph nur durch eine Beifügung der Textformel MORIMVR VT RESVRGAMVS in Kapitalis erweitert wurde. Ein weiteres Beispiel derselben Werkstätte hat sich außen an der Stadtpfarrkirche in Villach erhalten: Ein Epitaph für Joachim Magerl aus dem Jahre 1584, das am Bogenfeld, das das Wappenbild überhöht, wiederum die Textformel MORIMVR VT RESVRGAMVS gleichsam als Devise der Familie Magerl eingefügt hat, zeigt eine verwandte Frakturschrift328.

Im städtischen Bereich sind die Mehrzahl der Epitaphien Beamten, Adel und Bürgern zuzuschreiben: Von 15 im Original erhaltenen Epitaphien fallen vier Belege in die Kategorie „Geistliche“ (Kat.-Nr. 381, 413, 504, 568), unter „Beamte und diverse Amtsinhaber“ sechs (Kat.-Nr. 453, 518, 528, 536, 553, 636), unter „Adel und Gutsbesitzer“ vier (Kat.-Nr. 512, 622, 645, 685) und unter Bürger ein Epitaph (Kat.-Nr. 598 ?).

Ein Grabplattenfragment in Althofen aus dem Jahre 1584 (Kat.-Nr. 533), welches ursprünglich auch als Epitaph gestaltet worden sein könnte – der Aufsatz dazu hat sich wohl erhalten (Kat.-Nr. 534) –, zeigt neben der Frakturschrift die gleichzeitige Verwendung der Kapitalis. Aus demselben Jahr stammt noch ein weiteres Epitaph in Kraig, das in Form eines Totenschildes gestaltet und für Magdalena Wucherer zu Drasendorf geschaffen wurde (Kat.-Nr. 536). In diese Reihe passt auch das Epitaph des Johann Jakob Freiherren von Thannhausen aus der Zeit um/nach 1587 (Kat.-Nr. 553). Der vierstöckige ädikulaartige Aufbau gliedert das schöne renaissancezeitliche Grabdenkmal, welches zwei Schrifttafeln mit Frakturbeschriftung aufweist, dazu der Kreuzestitulus in Kapitalis. Im Jahre 1591 entstand ein Epitaph für die Äbtissin des Benediktinerinnenstiftes St. Georgen am Längsee, Affra von Staudach, die im vertieften Bildfeld in einer renaissancezeitlichen Rundbogenarchitektur im Ordensgewand dargestellt ist (Kat.-Nr. 568). Das Haupt- Schriftfeld ist in eine Schrifttafel mit Rollwerkrahmung gesetzt und in Fraktur mit eingestreuter Kapitalis gehalten, die beigefügten Bibelstellen sind in Kapitalis geschrieben. Ein auf Holz gemaltes Epitaph aus dem Jahre 1580 hat sich in der Filialkirche St. Pankratius in Dürnfeld erhalten (Kat.-Nr. 512).

Frakturschriften kommen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch bei Stifterinschriften vor (Kat.-Nr. 649, 1619), auf Gemälden (Kat.-Nr. 650, 1619), aber auch auf Glocken, wie dies eine Glocke in St. Georgen bei Straßburg, gefertigt 1620 vom Innsbrucker Glockengießer Heinrich Reinhart, zeigt (Kat.-Nr. 655). Dazu kommen Wappengrabplatten (Kat.-Nrr. 704, 721, 726), ein Votivbild (Kat.-Nr. 662), ein Wandgemälde (Kat.-Nr. 677) und mehrere Altäre bzw. Predellen von Altären (Kat.-Nrr. 722, 730, 745, 753).

Eine Besonderheit in der Deutschordenskirche stellen die dort vorhandenen Aufschwör- und Totenschilde dar, die zum größten Teil nicht Kärntner Provenienz sind, sondern vom Komtur und Ratsgebietiger des Deutschen Ritter-Ordens, Dr. Eduard Carl Borromäus Gaston Pöttickh Graf und Freiherr von Pettenegg (1847–1918), in der Ordenskommende in Friesach zusammengetragen worden sind. Dazu gehören die Aufschwörschilde des Hans Diepold Hundbiss von Waltrams von 1601 (Kat.-Nr. 604), des Adam Freiherr zu Wolkenstein und Trostburg von 1607 (Kat.-Nr. 620), des Wilhelm Freiherr zu Grafeneck von 1618 (Kat.-Nr. 646), des Johann Bernhard Michael von Metternich von 1624 (Kat.-Nr. 664), des Johann Wolfgang von Partenheim von 1627 (Kat.-Nr. 681), des Johann Jakob Dhaun von 1629 (Kat.-Nr. 686) und des Franz Rudolf von Haunsperg von 1637 (Kat.-Nr. 707), alle in schöner Frakturschrift bezeichnet. Der Aufschwörschild des Georg Leonhard von Staudach aus dem Jahre 1639 ist hingegen in Kärnten entstanden und in Fraktur mit eingestreuter Kapitalis beschriftet (Kat.-Nr. 717). Auch der Totenschild des Hanns Georg von Basseyo zu Praunsperg aus dem Jahre 1625 ist wohl in einer Kärntner Werkstätte gemacht worden (Kat.-Nr. 668). Vermutlich ebenfalls Kärntner Herkunft ist auch der Aufschwörschild des Erasmus Franz von Sauer Freiherr zu Kossiak und Bellenhofen von 1640 (Kat.-Nr. 719).

327 Alois Kieslinger, Die nutzbaren Gesteine Kärntens. (Car II, 17. Sonderheft) Klagenfurt 1956, 48f., Abb. 16.
328 Herwig Hans Hornung, Die Inschriften der Stadt Villach. 1. Teil, Die Inschriften der Pfarrkirche St. Jakob in Villach, in: 4. Jb. Museum der Stadt Villach, Villach 1967, 8 -160, bes. Nr. 60, Abb. 25.

5.6. Minuskelantiqua

Eine typische Minuskelantiqua ist im Bearbeitungsgebiet nicht vorhanden, eine Beschriftung ist aber immerhin annähernd dieser Schriftform zuzuschreiben: Die nach der Errichtung des Kreuzganges beim Gurker Dom unter Dompropst Wilhelm Welzer von Eberstein (1487–1518) zu Beginn des 16. Jahrhunderts wohl auch vom gleichen Dompropst beauftragten sechs geschnitzten und polychromierten Hemma-Reliefs329 mit Szenen aus der „Hemma-Histori“330 wurden erst im späteren zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts mit Texttafeln versehen und diese mit einer Minuskelantiqua beschriftet (Kat.-Nr. 712).

Vereinzelt kommen Wörter oder nur Buchstaben in den Frakturinschriften vor, die durchaus einer Minuskelantiqua entsprechen, hier aber nicht gesondert beschrieben werden können.

329 Elisabeth Reichmann-Endres, Die Reliefs der Hemma-Historie in Gurk, in: Hemma von Gurk. Katalog Ausstellung auf Schloß Straßburg/Kärnten. 14. Mai bis 26. Oktober 1988, Klagenfurt 1988, 247–256, bes. 247. – Zustimmend äußerte sich Demus, Spätgotische Altäre 31f. (Anm. 1): Hier findet sich auch die wichtigste weiterführende Lit. zu den Hemma-Reliefs.
330 KA Klagenfurt, Lade 102, Fasz. 1: Aufschreibbuch des Dompropstes Wilhelm Welzer von Eberstein aus der Zeit von 1488–1513.

5.7. Zahlenzeichen und Ziffern

Die Datierung der Inschriften des 12. und 13. Jahrhunderts geschah ausschließlich mit römischen Zahlzeichen. Erstmals wird eine arabische Jahreszahl als Bauzahl auf einem Schlussstein im südlichen Kreuzrippengewölbe der Stadtpfarrkirche in St. Veit verwendet (Kat.-Nr. 92). Ab dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts nehmen dann die arabischen Ziffern zu: Bis zur Jahrhundertmitte stehen 14 römischen Zahlzeichen nur fünf arabische gegenüber, um dann aber in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts etwa gleichzuziehen (29 zu 27). Erst im 16. Jahrhundert dominieren die arabischen Ziffern bzw. Zahlen mit 269 Belegen, die 59 römischen Zahlzeichen in dieser Zeit reduzieren diesen Anteil um drei Viertel (Verhältnis 3:1). In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wird der Unterschied noch eklatanter, zu den 129 arabischen gibt es nur mehr zwölf römische Zahlzeichen.

5.8. Zusammenfassung und Tabelle

Zusammenfassend lässt sich für den Bezirk St. Veit an der Glan ein Bestand von 565 original erhaltenen Inschriften ausmachen, wobei die Kapitalis mit 246 im Original erhaltenen Belegen ganz eindeutig als dominierende Schriftform feststeht. Es folgt nach der Häufigkeit der Verwendung die Gotische Minuskel mit 185 original erhaltenen Beispielen. Die Gotische Majuskel und die Frakturschrift liegen mit 47 bzw. 53 nahezu gleich auf. Die Romanische Majuskel ist mit 14 im Original überlieferten Belegen vorhanden, die Frühhumanistische Kapitalis mit 19 Originalbelegen und die Minuskelantiqua hat mit einem Beleg kaum noch einen statistischen Wert.

331 Die in runde Klammern gestellten Zahlen geben die nur mehr kopial überlieferten Inschriften an, sind aber in der Summe mit eingerechnet.

Friedrich Wilhelm Leitner

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan, ges. u. bearb. v. Friedrich Wilhelm Leitner
(Die Deutschen Inschriften 65. Band, Wiener Reihe 2. Band, Teil 2) Wien 2008, 5. Die Schriftformen,
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Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
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und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
65. Band, Wiener Reihe 2. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten - Teil 2
Die Inschriften des Politischen Bezirks St. Veit an der Glan

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Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten  •  Politischer Bezirk St. Veit an der Glan  •   Die Schriftformen  •   Romanische und Gotische Majuskel   •   Gotische Minuskel  •   Frühhumanistische Kapitalis  •   Kapitalis  •   Fraktur  •   Minuskelantiqua  •   Zahlenzeichen und Ziffern  •   Zusammenfassung und Tabelle  •  Friedrich Wilhelm Leitner  •